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Geruchs- und arbeitsplatzfreie Zone

■ Essig-Kühne will seinen Standort in Bahrenfeld aufgeben Von Heike Haarhoff

Alles Essig bei Kühne in Bahrenfeld – die Behauptung gleicht einer beschönigenden Übertreibung. Ab diesem Sommer soll die Schützenstraße geruchsfreie Zone für Sauerkraut, Senf, Essig und saure Gurken werden. Der Familienbetrieb Kühne, seit den 20er Jahren mit rund 320 Beschäftigten hier ansässig, will seinen Standort verlagern – wahrscheinlich ins mecklenburgische Zarrentin.

Ausweitung der Produktions- und Lagerkapazitäten lautet die offizielle Begründung. Stellenabbau im gewerblichen Bereich um bis zu 50 Prozent (rund 100 Arbeitsplätze), gepaart mit der Hoffnung der Kühne-Geschäftsleitung, den Grundstückswert der bisherigen Industriefläche durch Zupflastern mit Büros, produzierendem Gewerbe und Wohnungen zu steigern, seien die wahren Firmen-Absichten. Das fürchten Belegschaft und Altonaer Bezirkspolitiker.

Die Firmenspitze, laut Sprecherin Roswitha Behland „völlig offen in der Entscheidung“, trägt sich seit Anfang der 90er Jahre und seit dem Groß-Brand in den Fabrikhallen im vergangenen Dezember ganz konkret mit dem Gedanken, die Produktionsstätte ins 60 Kilometer entfernte Zarrentin zu verlagern. Verwaltung und Zentrale sollen in Bahrenfeld bleiben.

Die übrigen Beschäftigten – so sie übernommen werden, klagt der Betriebsrat – müßten täglich zusätzlich zwei Stunden für Hin- und Rückfahrt opfern: Die Frühschicht bei Kühne beginnt um sechs Uhr. Nicht nur verkehrstechnisch irrwitzig, findet der Altonaer SPD-Fraktionschef Horst Emmel: Wenn der Industriestandort verschwinde, hätten viele der „ungelernten Kräfte keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt. Dann können wir uns auf weitere Armutsbekämpfungsprogramme einstellen“.

Für die grün-rote Bezirkskoalition steht nach einem Gespräch mit Kühne-Betriebsrat und -Geschäftsleitung am Dienstag fest, daß „wir den Standort möglichst in Bahrenfeld, zumindest aber in Hamburg erhalten müssen“, so GAL-Chef Olaf Wuttke gestern. Dazu gehöre, „auf keinen Fall eine Vergoldung des Grundstücks zu unterstützen“.

Nur wenn Kühne zusichere, den Standort innerhalb Hamburgs zu verlagern, wollen die Koalitionsparteien dem Firmen-Wunsch nachgeben, die Ausweisung als Industriegebiet in eine Mischnutzungsfläche – mit entsprechend höheren Mieten – abzuändern. Stadtplanerisch wäre der Bau weiterer Büros in Bahrenfeld allerdings hirnrissig.

„Wenn Kühne im Gegenzug das Angebot eines Grundstücks in Allermöhe annimmt, ist das ein tragbarer Kompromiß“, gibt sich Wuttke aber pragmatisch. Sauer aufstoßen dürfte diese „Lösung“ jedoch den Stadtplanern in Bergedorf: Kühne liebäugelt mit einer eingeschossigen, flächenfressenden Bebauung.

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