Geringe Impfquote bei Bremer Kindern: Jugend fehlt Spritzigkeit
Wer in Bremen seinen 12- bis 15-Jährigen Kindern ein Covid-19-Vakzin verabreichen will, ist auf Ärzt*innen angewiesen, die da mitspielen.
Für Kinder und Jugendliche ist ein Impfstoff zugelassen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt das Impfen gegen Corona allerdings erst ab 18 Jahren. Der Grund ist, dass die Expert*innen das individuelle Risiko für Kinder und Jugendliche, schwer zu erkranken, nach aktuellem Forschungsstand für zu gering halten, um eine Impfung mit einem relativ unerforschten Impfstoff zu rechtfertigen.
Dennoch bieten die meisten Impfzentren in den Bundesländern die Impfung ab 16 Jahren an – dies war ursprünglich die zugelassene Altersgrenze bei dem Impfstoff der Firma Biontech. Eltern, die ihre jüngeren Kinder ab zwölf Jahren impfen lassen wollen, müssen sich in Bremen derzeit an ihre Kinderarztpraxis wenden. Das hatte vergangene Woche der Zentralelternbeirat an Schulen in einem offenen Brief kritisiert. Nicht alle Eltern hätten eine Kinderarztpraxis, die zur Impfung bereit ist, hieß es darin, dies sei ungerecht.
Unterstützung bekamen die Elternvertreter*innen umgehend von der Fraktion der Grünen. Ein erweitertes Impfangebot helfe, „die Pandemie weiter einzudämmen“, hieß es in einer Pressemitteilung. Und: „Die 12- bis 15-Jährigen erhalten mit einer Impfung mehr Sicherheit vor der Krankheit, wenn sie sich beispielsweise mit Freunden treffen, zum Sport gehen oder in der Schule sind.“
Warten auf Daten aus den USA
Die Bremer Gesundheitsbehörde ist hingegen noch nicht bereit, auch die jüngeren Jugendlichen ins Impfzentrum einzuladen. „Wir haben noch Beratungsbedarf“, sagte dazu der Sprecher Lukas Fuhrmann. Gleichwohl sehe man die Notwendigkeit. „Es gibt eine Nachfrage, und sie ist offenbar nicht besonders hoch“, dies zeigten die Erfahrungen mit den 16- und 17-Jährigen. Zudem zeigten die aktuellen Erfahrungen aus den USA, dass offenbar nicht mit schweren Nebenwirkungen bei Kindern und Jugendlichen zu rechnen sei. Dort wird bereits ab zwölf Jahren in großem Stil geimpft.
Auf die Impfungen in den USA verweist auch Stefan Trapp, Kinderarzt in Huchting und Vorsitzender des Verbandes Bremer Kinder- und Jugendärzt*innen. „Wir werden in wenigen Wochen oder Monaten valide Daten haben zu den Nebenwirkungen bei Kindern und Jugendlichen.“ Solange sei es sinnvoll, keine Impfempfehlung auszusprechen. Nichtsdestotrotz hält auch er es für angebracht, den Eltern, die eine Impfung für ihre Kinder wollen, ein Angebot über das Impfzentrum zu machen. „Es steht mir als Kinderarzt nicht zu, ihnen das auszureden oder ihre Beweggründe zu kritisieren.“
Aus medizinischer Sicht gebe es zwar bei Gesunden keinen Anlass zur Impfung, „aber wenn jemand sagt, ‚Wir können nicht wieder vier Mal hintereinander in Quarantäne‘ oder ‚Wir haben Familie in Risikogebieten‘ oder was auch immer, dann ist das aus ihrer Sicht ein guter Grund für eine Impfung.“ Die meisten größeren Praxen würden auf Elternwunsch impfen, vermutet er, aber für die anderen brauche es auch eine Lösung. Anfangs hätten Kolleg*innen Sorge gehabt, bei Impfschäden haftbar gemacht zu werden, aber das ist aus seiner Sicht geklärt. „In solchen Fällen muss der Bund haften.“
Richtig wütend macht Trapp, wenn Politiker*innen wie jetzt der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) die Ständige Impfkommission „zum Umdenken“ auffordern. „Nachdem bis jetzt junge Leute wirklich schon zu den Hauptleidtragenden der Pandemie gehört haben, empfinde ich das, was derzeit geschieht, wirklich als gegen eine junge Generation gerichtet und das finde ich persönlich unerträglich“, zitierte Weil der NDR vergangene Woche.
Stefan Trapp, Kinderarzt
„Da geht es überhaupt nicht um Kinder und Jugendliche“, sagt Trapp dazu. Der Druck, Kinder zu impfen sei vielmehr „eine weitere Geringschätzung ihrer Rechte“. Denn sie hätten derzeit durch die Impfung keine Vorteile – die Politik aber eine Ausrede, wenn sie es nicht schafft, die Schulen so auszustatten, dass der Unterricht in der kalten Jahreszeit normal stattfinden kann. „Die Politik braucht ein Standing, die Schulen offen zu halten.“ Das dürfe sie nicht auf die Schüler*innen abwälzen.
Die Folgen des über Monate eingeschränkten oder ausgesetzten Präsenzunterrichts seien katastrophal, sagt der Kinderarzt. Er könne in seiner Praxis, die am Stadtrand nahe der Landesgrenze liegt, deutliche Unterschiede zwischen Bremen und Niedersachsen sehen. „Im Durchschnitt geht es den Kinder aus Bremen einfach besser als denen aus Delmenhorst.“ Hier waren die Schulen durchgängig geöffnet, nur die Präsenzpflicht war ausgesetzt. Grundschulkinder hatten keine drei Wochen Wechselunterricht. In Niedersachsen hatten viele Jahrgänge monatelang keine Schule von innen gesehen.
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