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Gerichtsentscheidung zu Polit-T-ShirtsAlle Polizisten können „Bastards“ sein

T-Shirts mit „A.C.A.B.“-Aufdruck sind keine Beleidigung, solange der Bezug zu konkreten Personen fehlt – meint das Amtsgericht Berlin-Tiergarten.

Dieser eine Polizist ist kein „Bastard“. Foto: dpa

„A.C.A.B.“ steht auf dem T-Shirt. Soll heißen: „All Cops Are Bastards“. Bei Anhängern von Antifa-Autonomen, Neonazis und Hooligans – also links wie rechts – ist das Textil mit der Buchstabenkombination gleichermaßen beliebt. Vor allem, wenn bei Veranstaltungen und Demonstrationen Stress mit Polizisten programmiert ist: Bei denen kommt das nicht gut an. Immer wieder wird deshalb bundesweit versucht, Träger des Kürzels zur Rechenschaft zu ziehen.

In Berlin indes hat das Amtsgericht Tiergarten am Montag einen Studenten vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen. Der Mann hatte das A.C.A.B.-Hemd im Sommer 2014 bei einer Kundgebung in Kreuzberg getragen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft war gegen ihn ein Strafbefehl in Höhe von 1.600 Euro wegen Beleidigung ergangen. Dagegen hatte der Student Einspruch eingelegt.

Wie sein Anwalt Sven Richwin mitteilte, folgte das Gericht mit dem Freispruch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das hatte im Frühjahr 2014 befunden, dass „alle Polizisten“ – „All Cops“ – kein ausreichend definiertes Kollektiv darstellten. Soldaten und Polizisten seien eine so große Gruppe, dass sie nicht mehr als schützenswertes Kollektiv angesehen werden könnten.

Der Student habe das T-Shirt lediglich getragen, ohne einen Bezug zu bestimmten Beamten herzustellen, so das Amtsgericht. Es fehle somit an einer Beleidigungsfähigkeit. Mit dem Freispruch sei die Meinungsfreiheit gestärkt worden, freute sich Anwalt Richwin. Seine Beobachtung sei, dass Berlins Polizei zuletzt empfindlicher auf „A.C.A.B.“ reagiere, sagte er zur taz. Es komme vor, dass Leute von Polizisten am Rande von Demonstrationen aufgefordert würden, das Shirt auszuziehen. „Oder ich fühle mich beleidigt“, sei schon unverhohlen mit Strafanzeige gedroht worden.

Urteile aus anderen Bundesländern zeigen: Die Provokation kann auch ins Auge gehen. In Hamburg ist ein junger Mann vor zwei Jahren zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.800 Euro verurteilt worden. Bei einem Fußballspiel des FC St. Pauli gegen den VfL Bochum hatte er eine Mütze mit der Buchstabenkombination getragen. „Wer mit einer solchen Mütze auf Polizisten zugeht, begeht eine Straftat und zahlt dafür“, befand seinerzeit der Richter.

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31 Kommentare

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  • Die freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut. Beleidigung als Straftat wird viel zu gerne politisch von den Mächtigen verwendet.

  • Vielleicht trifft´s M.C.A.B. besser?

  • Wieso sind Beleidigungen in Fremdsprachen eigentlich überhaupt ein Rechtsdelikt in der BRD?

     

    Ich versuche gerade für meinen Nachlaß eine Stiftung zu gründen, deren Geld einer afrikanischen Organisation zukommen soll. Da sagt mir das Finanzamt, dass ich, um deren Allgemeinnützigkeit zu beweisen, deren englische Satzung erst ins Deutsche übersetzen muss, bevor das anerkannt werden kann. Denn Amtssprache sei hier Deutsch.

     

    Ziemlich inkonsequent, unser Rechtssystem. Ich schätze mal, dass ich in Bayern auch nicht angezeigt würde, wenn ich einen Polizisten "Kankersmeris" nennen würde.

    • @Age Krüger:

      Beleidigungen in Mundart sind prinzipiell billiger als auf hochdeutsch. Angeblich würde der Dialekt die Schärfe etwas rausnehmen und daher fallen die Strafzahlungen geringer aus.

  • zwecks leichter machen

    "Je größer das Kollektiv ist, auf das sich die herabsetzende Äußerung bezieht, desto schwächer kann auch die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden, weil es bei den Vorwürfen an große Kollektive meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion sowie der damit verbundenen Verhaltensanforderungen an die Mitglieder geht. Auf der imaginären Skala, deren eines Ende die individuelle Kränkung einer namentlich bezeichneten oder erkennbaren Einzelperson bildet, steht am anderen Ende die abwertende Äußerung über menschliche Eigenschaften schlechthin oder die Kritik an sozialen Einrichtungen oder Phänomenen, die nicht mehr geeignet sind, auf die persönliche Ehre des Individuums durchzuschlagen (BVerfGE 93, 266, 301 f.). Es ist verfassungsrechtlich nicht zulässig, eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Äußerung allein deswegen als auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln, weil eine solche Gruppe eine Teilgruppe des nach der allgemeineren Gattung bezeichneten Personenkreises bildet (vgl. BVerfGE 93, 266, 302 f.). " http://www.bverfg.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/02/rk20150226_1bvr103614.html

    • @christine rölke-sommer:

      Dazu passt dann: alle KommentatorInnen sind abgenutzte Fassbrausentunten.

      Diese Aussage ist übrigens niveaugleich mit ACAB.

      • @Chutriella:

        und was lernt Sie das?

        • @christine rölke-sommer:

          Lernen ist ein transitives Verb - das nur, damit Sie mal was lernen.

          Durch Ihre Rudimentärsprache "zwecks leichter machen" - was und wofür bitteschön wird durch die Zitate leichter? - lässt zwar die Absicht Ihres Kommentars im Unklaren. Die Auslegungen des Bundesverfassungsgerichts sagen zwar etwas über rechtliche Zulässigkeit beleidigender Aussagen. Über den gesellschaftlichen Wert, den das erlaubte Ausleben solcher niederen Insinke hat, trifft sie keine Aussage. Und darauf bezog sich wiederum mein Kommentar.

          • @Chutriella:

            belehren wollen aber nicht lesen können?

            dabei steht's doch laut und deutlich im zitat: vom ehrlosen stop!polizei zur gesellschaftskritik.

            daher: was Ihnen niederer instinkt ist aufklärung über den untertan+seine obrigkeit.

             

            ps: die "Rudimentärsprache" entnahm ich der rabbinischen literatur.

    • @christine rölke-sommer:

      Wenn die aktuelle Rechtsprechung so definiert ist, wird damit dem aus meiner Sicht dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.

      Demnach müsste eine Aussage wie "Alle Flüchtlinge sind Sozialschmarotzer" auch zulässig sein, da aus der Masse von 800000 kaum Rückschlüsse auf einzelne möglich sind. Wenn man´s über Volksverhetzung im Sinne der pauschalen Herabsetzung von Kollektiven macht, muss man erklären, warum das eine Volksverhetzung ist und das andere nicht.

      • 6G
        6474 (Profil gelöscht)
        @Rotbarsch:

        auch wenn es hier schon erwähnt wurde: es gibt einen unterschied zwischen polizisten und flüchtlingen, auch wenn sich die deutsche polizei meist in einer ähnlichen opferrolle sieht.

        sich einen beruf unter 1000 anderen berufen freiwillig und ohne not auszusuchen ist etwas anderes als zufällig in einem anderen land geboren zu sein wo ein krieg ausbricht oder bitterste armut herrscht

        • @6474 (Profil gelöscht):

          Hier geht´s aber nicht um die freiwillige Berufswahl, sondern ob man auf Grund seiner Zugehörigkeit zu einer Gruppe pauschal beleidigt werden kann oder eben nicht.

          • 6G
            6474 (Profil gelöscht)
            @Rotbarsch:

            doch, genau darum geht es unter anderem. die zugehörigkeit zur polizei ist nämlich eine freiwillige entscheidung. nicht nur das, man muss sogar einges dafür tun um überhaupt erst polizist werden zu können. insofern ist der vergleich zu gruppierungen wie geflüchteten, homosexuellen oder gar juden populistisch, falsch und tendenziös.

            richtig wäre der vergleich, wenn jemand sagen würde "alle bänker sind schweine", "alle anwälte sind rechtsverdreher" oder "alle huren sind schlampen"

            ^^hm, komisch. sowas in der richtung habe ich eigentlich schon des öfteren gehört, aber noch nie erlebt das ein anwalt oder ein bänker dagegen geklagt hätte.

      • @Rotbarsch:

        ichsachmaso: eine einigermaßen gutausgebildete staatsanwältin sollte gelernt haben, die tatbestandlichen voraussetzungen des §185 StGB von denen des §130 StGB zu unterscheiden.

        • @christine rölke-sommer:

          Vielen Dank. Damit hat Herr ROTBARSCH nun Rechtssicherheit.

  • Die Entscheidung "Soldaten sind Mörder" des BVerfG sagt nicht, dass man auch "alle Soldaten" sagen könnte. Vielmehr ist gerade die "neutrale" Ausdrucksweise ohne alle der Grund, warum sich die Beleidigung in der Masse verliert...so das Gericht.

    Wenn aber "alle" davor steht, gibt es keine Ausnahme mehr, jeder einzelne ist gemeint und damit kann ich auch jeder angesprochen und beleidigt fühlen. Daher halte ich die Entscheidung juristisch für falsch.

    Pauschale Abwertungen auf Gruppen bezogen, sollte man nicht benutzen, egal ob auf Polizisten, Soldaten oder auch Bäcker oder Sozialarbeiter bezogen. Oder würde es jemand für gut halten, wenn man "alle Juden sind geldgierig" oder "alle Muslime bauen gern Bomben" auf dem T-Shirt trägt. Sicher nicht. Gruppenbezogene Beleidigungen sind dann straflos, wenn kein konkreter Teil der Gruppe angesprochen wird, durch das Wort "alle" wird aber jeder einzelne angesprochen.

    • 6G
      6474 (Profil gelöscht)
      @Dr. McSchreck:

      muslime, juden, polizisten...finde den fehler.

       

      im übrigen: "alle sozialarbeiter sind bastarde" würde sowohl bei sozialarbeitern als auch bei den meisten anderen menschen nur ein müdes lächeln auslösen. der bäcker würde auf eine pauschale "bäckerbeleidigung" vermutlich antworten, das man sein brot dann halt selber backen soll.

      äpfel und birnen, ihr vergleich

    • @Dr. McSchreck:

      BVerfG locuta , causa finita .

      Klar ist auch : Sie dürfen Ihre falsche Meinung behalten und sie auch äußern .

      :-)

  • Wer sich hier nicht die Mühe gemacht hat , die Entscheidung des BVerFG (auch die zu "Soldaten sind Mörder") zu studieren , sollte sich mit seiner/ihrer unmaßgeblichen Meinung besser zurückhalten .

  • Wenn die Gruppe groß genug ist, dann ist es nicht mehr so schlimm Okay ... das läßt genug anwendungsmöglichkeiten für A x A B.

    • @ioannis:

      Wie wahr, wie wahr. Hier wurde ein Freifahrtschein für propagierten Rassenhass geliefert.

      • @trippel:

        Der Unterschied mag wohl sein, dass dieEntscheidung zur Zugehörigkeit zur gruppe "Polizisten" eine freiwillige ist.bei Hautfarb ("Rassenzugehörigkeit") bin ich mir da jetzt nicht so sicher, wie war das noch gleich? :)

  • Die Bezugsetzung ist hier komplett daneben gegangen. Real geht es um das Deuten einer Buchstabenkombination, die nur bei oberflächlicher Betrachtung den Anschein einer Eindeutigkeit hat, tatsächlich aber jedes und alles bedeuten könnte.

     

    Und vordergründig ist nicht der mögliche Tatbestand einer Beleidigung, sondern es fällt auf, daß es zunehmend "Vollzeit-Beleidigte" gibt, die jede sich bietende Gelegenheit nutzen (und sei sie noch so sehr an den Haaren herbeigezogen), nue um sich beleidigt fühlen zu können.

     

    Ein anderes Beispiel wäre der Begriff "Bulle". Ich gehe davon aus, daß die Mehrzahl aller Polizisten vor ihrer Polizeilaufbahn durchaus regelmäßig benutz haben und den Begriff erst mit ihrem Einstieg in die Polizeilaufbahn als Beleidigung empfanden.

  • Von diesem Berliner Gericht wird ein gruppenbezogenes Feindbild als Meinungsfreiheit angesehen? Es hilft nichts „Bastard“ schönreden zu wollen. Die Polizei sollte um ihrer Selbstachtung willen in Berufung gehen. Dem „Studenten“ ist zu wünschen, dass er einmal einer Berufsgruppe angehört, die ebenfalls pauschal diffamiert wird.

  • all cats are beautiful

     

    Welcher Linke vertritt bitte den Standpunkt, dass ein unehelich geborenes Kind, also Bastard, etwas negatives ist, dementsprechend überhaupt als Schimpfwort benutzt werden kann?

     

    Diese Leute pauschalisieren, verallgemeinern und verunglimpfen. Das sind rechte Verhaltensweisen, nicht linke.

    • @bonus bonus:

      "verunglimpfen" was für ein seltsames Wort. Wenn Sie jetzt alle Katzen als schön bezeichnen, haben Sie die dann "verglimpft".

      Ach ja, mit dem Bastard ist wohl eher der umgangssprachliche "Dreckskerl" gemeint, als ein uneheliches Kind. Das wäre ja auch keine "Verunglimpfung". Ein tolles Wort. :)

      • @Karlheinz:

        Das Problem zumindest bei den schönen Katzen oder 8 Cola, 8 Bier ist, daß der Katzenliebhaber wahrscheinlich kaum glaubhaft machen kann, NICHT von der ursprünglichen Bedeutung gewußt zu haben und demzufolge NICHT bewußt mit der Zweideutigkeit (und der gemeinten Pauschal"beleidigung") gespielt zu haben. Vor Gericht wird sich ein überzeugt polizeikritischer "Katzenfreund" dann wohl schon allein aus Selbstachtung nicht auf die Katze berufen, sondern mit der Unmöglichkeit der Pauschalbeleidigung argumentieren. Ansonsten auf Meinungsfreiheit für derb formulierte, in der Sache aber möglicherweise gerechtfertigte Kritik an der Pol als Organisation anführen und dem Prozeß so die erwünschte politische Note geben. Dann geht eigentlich nix außer Freispruch oder wenn sich ein persönlich beleidigter Polizist findet, eben reichlich Tagessätze, kein Deal und keine halbbillige Einstellung, und der Katzenfreund geht vorbestraft und ärmer, aber erhobenen Hauptes aus dem Saal....

    • @bonus bonus:

      Ich bin mir sicher da gibt es welche. Links = intelligent und rechts = dumm sind leider leicht falsifizierbare Gleichungen.

      • @TV:

        Wenn rechte Argumente dumm sind, welchen Schluß läßt das auf die Leute zu, die diese Argumente vertreten?

    • @bonus bonus:

      Eben deshalb hat mich das noch nie gestört!