■ Bugs Bunny & Co – Gegenentwurf zur heilen Disney-Welt: Gerechtigkeit für Daffy Duck!
Ein schwarzer Raum. Rascheln, Pfeifen, Ploppen. Diverse, sich überlagernde Sounds und Stimmen. „Is there a doctor in the house?“ Ach, woher. Was wissen wir denn? Man sieht ja nichts. Außer das Konterfei von Bugs Bunny, dem entschieden beliebtesten Akteur aus der Warner-Brothers- Cartoon-Fabrik. „That's all, Folks!“
1969 stellten, als Hollywoods Studiosystem zusammenbrach und das Fernsehen sich zu etablieren begann, die in den dreißiger Jahren höchst ambitionierten, über zwei weitere Jahrzehnte auch äußerst erfolgreichen Animationsfilmer der Warner-Company ihre Arbeit ein. Sie hatten dem glatten, puritanisch unterfütterten, auf Rührung und staatsbürgerliche Erbauung abgestellten Realismus eines Walt Disney ihre rauhe, wüste und zuvorderst komische Comicwelt entgegengesetzt. Spitzenzeichner und -regisseure wie Bob Clampett, Fritz Freleng und Chuck Jones kreierten zusammen mit dem famosen Synchronsprecher Mel Blanc teils versiert reflektierte, teils brachiale Kurzfilme, in denen so grundsympathische, verdrehte und wahnsinnige Figuren wie Foghorn Leghorn, Yosemite Sam, Wile E. Coyote, Sylvester, Elmer Fudd, Bugs Bunny und Daffy Duck agieren konnten, wie ihnen die Glieder und das Mundwerk gezeichnet waren.
„Wir zeigten diesen Disney- Kerlen, daß Zeichentrickfilme nicht aussehen müssen wie ein Scheiß-Kinderbuch“, ließ sich Warner-Regisseur Frank Tashlin einmal vernehmen, und die liebevoll arrangierte Frankfurter Ausstellung „Bugs Bunny & Co. – die Stars der Warner Bros. Cartoons“ zeigt anhand von beinahe 160 Exponaten, auf welchen Wegen es die Hundskerle fertig brachten, der pummeligen Micky-Mouse-Welt in artistisch brillanten, oftmals grandios aus dem Ruder laufenden Stripgeschichten einen Haken zu verpassen. Originalzeichnungen, vornehmlich aus den vierziger und fünfziger Jahren, vom model sheet, dem proportionalen und farbigen Figurenentwurf, über nicht selten fein ziselierte Hintergrundgemälde bis zu den vom key animator geschaffenen und später durch einen sogenannten in-betweener mit Zwischenstufen komplettierten Animationssequenzen offerieren den nie recht für wahr gehaltenen Kunstgehalt dieser schönen und unterhaltenden Fiktionen.
Für einen Augenblick kommt der verehrte Großsprech und Egomane, der noch als schlimm zusammengerichteter Underdog stolze, meist wunderbar gehässig herumfuchtelnde Daffy Duck zur Ruhe und zeigt, von seinen Zeichnern in typischen Posen erschaffen, was er kann: krakeelen, sich verrenken, disputieren, camouflieren, Charmeur, Rabauke, Dummkopf sein. Daneben faucht er bereits wieder vom Videoschirm, durch „Duck Amuck“ (1963; Chuck Jones), eine mit Verlaub genial zu nennende neunminütige Reflexion über das Medium, in der Daffy herumgehetzt, falsch gekleidet, ausradiert und frisch gezeichnet wird, er aber keinesfalls Einverständnis signalisiert, sondern die Fehler des settings beklagt und im Disput mit Zeichner und Produzent seine vertraglich zugesicherten Rechte einklagt. Lachend das letzte Wort behält indes einmal mehr Bugs Bunny.
Produzent Leo Schlesinger wurde hin und wieder mit der Bemerkung zitiert, in seine Filme gehörten „lottthhsa joketh“. Alles andere blieb den Animationskünstlern überlassen. Unter legendär kollegialen Arbeitsbedingungen entstanden Trick-Protagonisten, die sich gegenüber ihrer Konkurrenz durch den rasanteren Strich, das ostentativ Cartoonhafte und die groteske Überdrehtheit ihrer Einfälle und Handlungen auszeichneten. Für das Kinderprogramm des ZDF stutzt man 1972 ihre wuchtige Eloquenz allerdings auf Programmoberen-Quatschideutsch zusammen. „Wir haben die kurzen Sequenzen so zusammengestellt, daß aus den ursprünglichen Spielereien gedanklich sinnvolle, dem deutschen Geschmack angepaßte Geschichten mit humaner Aussage wurden“, quäkte Intendant Holzamer. Heute fordern wir Revision. Die Originale ins Fernsehen! Gerechtigkeit für Daffy Duck!! Jürgen Roth
Die Ausstellung „Bugs Bunny & Co.“ ist noch bis zum 16. Februar 1997 im Deutschen Filmmuseum, Frankfurt/Main, Schaumainkai 41, zu sehen.
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