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Gentech-PflanzenFehlende Messdaten für Gen-Mais

Die ökologischen Folgen des Anbaus von insektenresistenten Gentech-Mais sind immer noch unklar. Eine standardisierten Messmethode gibt es immer noch nicht.

Wieviel Gift ist im Mais? Greenpeace fordert ein verlässliches Testverfahren. Bild: ap

BERLIN taz | Zehn Jahre nach der ersten Genehmigung für den kommerziellen Anbau von Gentech-Pflanzen in der EU gibt es hinsichtlich der Risikobewertung zunehmend offene Fragen. So existiert für den seit 1998 zugelassenen, ein Insektengift produzierenden Genmais MON810 "immer noch kein verlässliches und standardisiertes Messverfahren, um den Giftgehalt in den Pflanzen zu bestimmen", sagte der Gentech-Experte von Greenpeace Christoph Then.

SEEHOFERS TROJANER

Für eine Überraschung sorgte Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) Anfang der Woche in Brüssel. Er forderte einen vorübergehenden Zulassungsstopp für neue Gentech-Pflanzen. Das Zulassungsverfahren in der EU sei "hoch unbefriedigend" und "politisch bedenklich", so Seehofer. Die Vorbehalte der Bevölkerung gegen Genprodukte würden in Brüssel nicht ausreichend berücksichtigt, sagte Seehofer vor dem EU-Agrarrat. Für die Agrarexpertin der Grünen, Ulrike Höfken, ist Seehofers Vorstoß jedoch ein "vergiftetes Geschenk". Denn Seehofers Ansinnen sind nicht strengere Regeln, sondern ist ganz im Gegenteil eine Beschleunigung der Verfahren. Er möchte, dass allein die EU-Kommission auf Grundlage der Risikoabschätzung der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA entscheidet. Und diese beiden Institutionen haben in der Vergangenheit so gut wie immer zugunsten der Gentech-Industrie entschieden. WLF

Greenpeace hatte diese Woche in Berlin eigene Untersuchungsergebnisse vorgestellt. Der kommerzielle Anbau von MON810 müsse sofort gestoppt werden, forderte Then, denn ohne verlässliche Testverfahren sei auch keine Risikobewertung möglich.

Der vom US-Biotechnologiekonzern Monsanto entwickelte MON810 enthält ein Gen aus dem Bakterium Bacillus thuringiensis, das ein für Insektenlarven giftiges Protein produziert.

Es gibt eine ganze Reihe dieser Bt-Toxine, die je nach Insektenart unterschiedlich wirken. Das im MON810 enthaltene Bt-Toxin Cry1Ab soll die Pflanzen spezifisch vor den Raupen des Schmetterlings Maiszünsler schützen. Verschiedene Studien in den letzten Jahren zeigten jedoch, dass das Bt-Toxin nicht nur den Zielorganismus Maiszünsler schädigt, sondern auch nützliche Insekten und Bodenorganismen beeinträchtigen könne. Für die Zulassungsbehörden reichten diese Studien jedoch nicht aus, um die MON810-Genehmigung in Frage zu stellen.

Greenpeace veranlasste daher eigene Studien. "Wir haben mit dem Projekt vor zwei Jahren angefangen", erklärte der Greenpeace-Experte Then. "Eigentlich wollten wir die Rückstände des Insektengifts im Boden messen, mussten aber schnell feststellen, dass es keine standardisierten Messprotokolle dafür gibt."

Stattdessen ließ Greenpeace dann die Giftkonzentrationen in verschiedenen Pflanzenteilen von MON810 untersuchen -unter anderem Blätter, Wurzeln und Körner. Die Proben stammten von verschiedenen Gentech-Feldern in Deutschland. Aber auch hier gab es Probleme mit den Messmethoden.

Die beauftragte Züricher Firma EcoStrat wandte zwei verschiedene Messmethoden an. Zum einen verwendeten sie einen kommerziell verfügbaren Testkitt. Als zweite Methode nutzte EcoStrat das auch von Monsanto genutzte Verfahren, zumindest so weit Daten darüber verfügbar waren. Das Ergebnis: "Je nach Analysemethode schwankten die Messergebnisse für die Menge des Insektizids in denselben Pflanzenteilen um bis zu hundert Prozent", so Greenpeace.

"Wir waren sehr überrascht, als wir die Ergebnisse sahen", sagte Matthias Meier, der bei EcoStrat die Messungen durchführte. Mit dem Messprotokoll von Monsanto hatte EcoStrat "in der Regel" geringere Bt-Werte gemessen. Bei den Ursachen ist Meier nur auf Vermutungen angewiesen. Denn einige notwendige Angaben über das von Monsanto genutzte Messprotokoll fehlen. Bekannt ist, dass die Messmethoden sehr sensibel auf Störfaktoren reagieren. Da muss dann selbst die exakte Zusammensetzung der Messlösungen bekannt sein, um die Ergebnisse reproduzieren zu können.

Bedenklich ist, dass auch den mit der Zulassung befassten Institutionen nicht die von Monsanto verwendeten Messprotokolle in allen Einzelheiten bekannt sind. Dort habe man sich einfach bei der Risikoabschätzung auf die von Monsanto eingereichten Unterlagen verlassen, so die Kritik der Umweltorganisation. Eigene Messungen, mit denen die Daten von Monsanto überprüft wurden, konnten jedenfalls mit dem von Monsanto vorgelegten Messprotokollen nicht durchgeführt werden.

"Es ist derzeit nicht möglich, verlässlich zu überprüfen, wie viel Toxin der MON810-Mais wirklich produziert", so die Schlussfolgerung des EcoStrat-Mitarbeiters Matthias Meier. Damit fehle auch eine wesentliche Voraussetzung für die Risikobewertung, so Christoph Then. Von Seehofer fordert er den Anbau sofort zu verbieten.

In Deutschland wurde der Monsanto-Mais in diesem Jahr auf rund 2.500 Hektar angebaut. Im Frühjahr, kurz nach der Aussaat hatte Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) zwar ein Vertriebsverbot für das MON810-Saatgut angeordnet. Wegen ungeklärter Umweltrisiken und weil Monsanto nicht, wie in den EU-Richtlinien verlangt wird, eine Anbau begleitende Untersuchung über gesundheitliche und ökologische Folgen durchführt.

Inzwischen hat Monsanto einen entsprechenden Monitoring-Plan eingereicht. Auch an einer Standardisierung der Messmethode wird derzeit beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI) gearbeitet. Der Monitoring-Plan wird derzeit überprüft. Ob er ausreicht, damit Seehofer den Vertriebsstopp für den Gentech-Mais wieder aufheben lässt, ist noch unklar.

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