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Genie und Penner

■ Neu im Cinema: Joe Goulds Geheimnis

Eine wahre Geschichte über eine große Lebenslüge im New York der 40er Jahre: Joe Gould hat die Knollennase eines Sokrates, rülpst, säuft, stinkt, rempelt Leute an, beschimpft sie je nach Laune – ein mustergültiges Ekelpaket eben. Trotzdem wird der Obdachlose von der Künstler- und Intellektuellencommunity von Greenwich Village vergöttert. Gould notiert nämlich akribisch die Gespräche, die er Tag und Nacht in Bars, U-Bahnen, Obdachlosenasylen, Dichterclubs, Galeristenpartys etc. aufschnappt.

Vor 60 Jahren war ein solches Puzzle aus O-Tönen als literarisches und als historisches Konzept noch revolutionär. „The oral history of our time“ nennt Gould deshalb das unendliche Mammutprojekt nicht eben bescheiden. Ganze Stapel an Quartheften deponiert Gould bei all jenen Gönnern und Freunden, die ihn mit Dollarspenden und Essenseinladungen durchfüttern. Doch ach, die Hefte sind alle identisch und enthalten nur Goulds sozialkritische Essays statt O-Tönen: halb Betrug, halb Selbstbetrug. Joseph Mitchell, Redakteur beim New Yorker, entdeckt ihn, verpetzt Gould aber nicht.

Stanley Tuccis Film erzählt von der Begegnung zwischen Mitchell und Gould und damit von Liebe und Achtung trotz aller Gegensätzlichkeiten. Goulds Konzept des detailgenauen Aufzeichnens transponiert Tucci ins Optische: Gläser, Tassen, Flaschen flashen riesig ins Auge. Am spannendsten aber ist die Konzeption der Hauptfigur. Im Gegensatz zu anderen netten Antihelden nervt dieser Gould wirklich. Und doch erzwingt die Regie Sympathie. Eine Schule der Toleranz.

bk

tägl. 21 Uhr im Cinema, Tel.: 70 09 14

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