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Genial unseriös

■ Bobby McFerrin in der Glocke: ein Stimmzauberer, der alles in Gesang verwandelt – und in Spaß

„Oops“, da hätte er beinahe mit dem Fuß sein Wasserglas umgestossen. Und Bobby McFerrin, der inzwischen offensichtlich den Ehrgeiz hat, aus allem Musik zu machen, begann schon im nächsten Takt darüber eine Improvisation zu entwickeln: Das „Oops“ wurde musikalisch verwandelt, dekonstruiert, spielerisch hin und her geworfen – dazu ein kleiner Sprechgesang, der genau die just erlebte Szene spiegelte, schließlich ein großes Finale, in dem das „Oops“ plötzlich als ein hipper Jazzrhythmus glänzte.

So übermütig spielerisch, so überraschend, spontan und komisch war alles, was der afroamerikanische Vokalist in der vollbesetzten Glocke von sich gab. Ein Solokonzert, wie angekündigt, war es nun ganz und gar nicht. Zum einen hatte er (zum ersten Mal und anscheinend auch einer spontanen Eingebung folgend) mit Gil Goldstein einen Pianisten und Akkordeonspieler mit auf die Bühne gebracht, zum anderen bezog er das Publikum so intensiv in seine Performance ein, dass das Konzert über lange Passagen ein Dialog zwischen Bühne und Sitzreihen war.

Die Überwindung dieser Grenze hatte es McFerrin ganz besonders angetan. Zuerst sprang er nur von der Bühne herunter, hielt einigen verdutzten Besuchern in der ersten Reihe das Mikrophon unter die Nasen, und sang nach wenigen Sekunden jeweils mit ihnen – immer erstaunlich gut – im Duett. Als es ihn wenig später wieder nicht auf der Bühne hielt, kletterte er durch die Stuhlreihen, um sich MitsängerInnen zu suchen – bis in die siebte Reihe war man nicht sicher vor ihm. Und schließlich bat er dann auch noch alle, die mit ihm singen wollten, zu sich auf die Bühne. Mit immerhin 18 Begeisterten entwickelte er dann so etwas wie eine spontane Chorimprovisation, bei der er nebenbei auch noch bewies, was für ein guter Dirigent er ist.

Einen Spaß wollte er sich (und uns) machen – der ganze Auftritt war ein großer musikalischer Witz, bei dem man fast vergessen konnte, mit welcher Virtuosität McFerrin mit seiner Stimme spielte. Mal grummelte er den Blues mit dem knarrigen Bass eines alten Mannes, mal sang er im fast klassischen Stil einen Choral. Mal improvisierte er im Duett mit Goldsteins Akkordeon ein paar schöne Jazzkoloraturen, dann parodierte er den Gesang eines skandinavischen Baritons (und sang dabei auch gleich noch die liebestrunkene Antwort mit Frauenstimme im gleichen parodistischen Phantasieschwedisch dazu).

McFerrin schien fast immer mit einer fast kindlichen Spielfreude und Neugier Neues auszuprobieren. Dass er dabei nie um den Beifall buhlte, merkte man, wenn er immer wieder mit einer Handbewegung den Zwischenapplaus abwehrte, damit das Publikum auch genau seiner musikalischen Ideeenflut folgen konnte. Die einzige Länge des Konzerts stellte sich ein, als er einmal mit Goldstein am Piano versuchte, tatsächlich halbwegs ernsthaft eine Ballade zu intonieren. Da war der Bruch zu groß, darauf konnte sich das Publikum nicht einstellen, und auch die Musiker selber mußten sich sichtlich bemühen. Aber das merkte McFerrin schnell und schon machte er lieber den nächsten Schabernack auf höchstem vokalistischen Niveau.

Stilistisch kann man das, was er macht, ganz bestimmt nicht mehr als Jazz bezeichnen, denn er bediente sich ohne Berührungsängste bei allen musikalischen Stilen. Aber von der Haltung her war dies ein wunderschönes Jazzkonzert: McFerrin schien völlig frei zu singen, was ihm gerade in den Sinn kam. Kaum etwas schien vorbereitet, mit Gil Goldstein abgesprochen, geschweige denn geprobt. Nur ein seriöses Konzert war dieser Auftritt natürlich nicht. Einige wenige ZuhörerInnen in den teureren Reihen rümpften auch ob solcher Kindereien die Nase, alle anderen waren aber hellauf begeistert und erklatschten sich eine Zugabe, bei der McFerrin dann auch noch das Wort „Bremen“ zum reinen Schönklang werden ließ.

Wilfried Hippen

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