: Generalstab ohne Freunde
■ Nur FDP will Bundeswehrkommando wieder Militär geben – wegen der Kosten
Bonn (dpa) – Die Einführung eines Generalstabs bei der Bundeswehr hat die FDP isoliert. Eine solche Einrichtung erinnere an die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, erklärten übereinstimmend Vertreter von CDU/CSU, SPD und Grünen. Dies sei nicht mit der demokratischen Bundeswehr von heute vereinbar.
Der FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt hatte vorgeschlagen, aus Gründen der Einsparung die Bundeswehrspitze drastisch zu verschlanken – und dabei die Befehlsgewalt auf den Generalinspekteur zu übertragen. Bislang liegt sie in Friedenszeiten beim Verteidigungsminister, im Verteidigungsfall beim Kanzler.
Der Sprecher des Bonner Verteidigungsministeriums, Detlef Puhl, wollte sich zu dem Vorschlag nicht äußern. Es stelle sich natürlich die Führungsfrage der Bundeswehr, wenn das Verteidigungsministerium nach Berlin wechsle, die Inspekteure und der größere Teil des Ministeriums mit 3.000 Mitarbeitern aber in Bonn blieben. Nicht namentlich genannte Militärs sagten hingegen, dass es keiner neuen Straffung der Führungsstrukturen bedürfe. Die bisherigen Einrichtungen hätten sich „absolut bewährt“.
Der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU, Paul Breuer, erklärte, aus historischen Erfahrungen „haben wir uns bei der Aufstellung der Bundeswehr gegen die Einrichtung eines Generalstabs und somit gegen eine zentrale militärische Führung entschieden.“ Die Wehrexpertin der Grünen, Angelika Beer, wies darauf hin, dass ihre Partei alle Versuche, einen Generalstab einzuführen, strikt ablehne. Eine Umstrukturierung der Bundeswehr werde in der Zukunftskommission diskutiert, die im Herbst 2000 ihre Ergebnisse vorlegen soll. Aus Kreisen der SPD wurde erklärt, dass das „Reizwort Generalstab“ an die Nazi-Zeit und negative Erfahrungen im Ersten Weltkrieg erinnere. „Es gibt viele Begriffe, die in Deutschland als historisch belastet gelten“, sagte Gerhardt dazu.
Gerüchtehalber hatte es geheißen, es gebe Überlegungen bei der Bundeswehr, dem Generalinspekteur, der nur Berater der Regierung und für die militärische Planung zuständig ist, direkte Kommandogewalt über die Truppe zu geben. Der preußische Generalstab war seinerzeit geschaffen worden, um den zentralistischen Militärapparat Napoleons zu begegnen. Dem Generalstab wurde immer wieder starke Einflussnahme auf die Politik vorgeworfen, Im Ersten Weltkrieg galten Generalstabschef Paul von Hindenburg und sein Generalquartiermeister Erich Ludendorff von 1916 an als „heimliche Diktatoren“. Nach dem Versailler Friedensvertrag wurde in Deutschland der Generalstab aufgelöst. 1935 wurde er im Rahmen der Wehrmacht neu geschaffen.
„Wir haben uns bei der Aufstellung der Bundeswehr bewusst gegen eine zentrale militärische Führung entschieden“
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