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Generalaussprache dank Reuter

■ Berliner Landesparlament diskutierte über die Aussagen von Edzard Reuter/ Staffelt nahm auch die Leistungen des rot-grünen Senates in Schutz/ FDP-Chefin warf Senat Konzeptionslosigkeit vor

Rathaus Schöneberg. »Redet nicht um den heißen Brei herum, sondern packt endlich entschlossen die Dinge in der Stadt an. [...]Es geht hier nicht um Posemuckel! [...] Wahr ist freilich auch, daß Berlin zum klassischen Fall einer Krisenregion geworden ist. [...] Weiß die Stadt wirklich nicht, was sie will?«

Mit diesen Worten erschreckte Daimler-Benz-Chef und Berlin- Freund Edzard Reuter heute vor vierzehn Tagen anläßlich der Eröffnung des Stadtforums die Berliner Politik und Öffentlichkeit — Anlaß genug für das Abgeordnetenhaus, sich gestern in einer von der FDP beantragten aktuellen Stunde damit zu beschäftigen, ob Reuter recht habe und die Stadt ihre Chancen verschlafe. Während die Oppositionsparteien PDS, FDP und Bündnis 90/Grüne dem Konzernchef insgesamt recht gaben, verteidigten die Redner der Regierungskoalitionen CDU und SPD die Senatspolitik. Da dieser Tage die ersten 100 Tage der schwarz-roten Ära vorbei sind, nutzte das Abgeordnetenhaus die aktuelle Stunde gleich zu einer generellen Aussprache.

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) wertete die Äußerungen Reuters als »kritische Liebeserklärung an Berlin«. Berlin sei keine Krisenregion, sondern eine Stadt mit vielen Problemen und eine Stadt im Aufbruch zwischen Ost und West. Er wünsche sich, so Diepgen, mehr von der Art Reuterns, und er sehe die Debatte als Ansporn für die Zukunft Berlins. »Wir werden die erste Region Deutschlands sein, in der die Einheit vollendet ist«, versprach der Regierende seinen Bürgern, denen Reuter eine zaudernde und larmoyante Haltung vorgeworfen hatte. Auch CDU- Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky begrüßte Reuters Stellungnahme und warf der Linken in der Stadt vor, sich in Larmoyanz und »neuer Weinerlichkeit« zu üben.

Während die Redner der CDU die Kritik Reuters vor allem auf die Zeit des rot-grünen Senats bezogen, verteidigte der SPD-Fraktionsvorsitzende Ditmar Staffelt die Leistungen von Magistrat und Senat nach dem 9. November 1989. Auch was die neue Berliner Regierung bis heute geleistet habe, könne sich sehen lassen. FDP-Chefin Carola von Braun warf dem Senat Konzeptionslosigkeit vor. Um die Neuverschuldung herunterzufahren, müßten schleunigst die Ausgaben des Landes Berlin reduziert und die Einnahmen durch Steigerung des Steueraufkommens verbessert werden. Die ehemalige AL- Senatorin Michaele Schreyer kritisierte den Senat als »Regierung in der Warteschleife« und warf ihm Verwirrung der Bürger, insbesondere im finanzpolitischen Bereich vor. PDS- Chef Wolfram Adolphi beschuldigte die Regierung, Zehntausende Menschen im Ostteil der Stadt auszugrenzen und dort eine »klassische Kolonisatorentaktik« anzuwenden. kd

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