Gender-Leck-Gap: Oralsex ist keine Einbahnstraße

Irgendwie scheint Fellatio mehr in aller Munde zu sein als Cunnilingus. Warum beschweren sich darüber so wenige Frauen? Würde ein Hanky-Code helfen?

Ein Mann knotet ein Stirnband

Nur so als Idee: Stirnbänder oder Flaggen signalisieren, ob ein Mann auch leckt Foto: Michael Dodge / dpa

Guck mal einer an“, dachte ich, als ich neulich in der taz einen Text las, in der die 15 Jahre jüngere Autorin beschreibt, wie sie ihren Liebhabern klar macht, dass Oralsex keine Einbahnstraße ist. „Wenn ein Mann meinen Kopf drängend und ungeduldig in Richtung seines Schwanzes zieht, drückt, manövriert, lache ich ihn gerne aus“, schreibt sie. Und dass sie ihn dann auf ihre Vulva hinweist.

Interessant daran fand ich, dass es offenbar viele Männer gibt, die sich gerne oral befriedigen lassen, sich aber nur ab und an oder gar nicht zu einer Revanche durchringen. Nein, an dieser Stelle bewerte ich nicht, welches Genital am besten aussieht, schmeckt und riecht, dazu bin ich erstens zu voreingenommen, zweitens weiß ich um die Verletzbarkeit von Männerseelen, wenn es um ihren Dödel geht, und drittens kenne ich nur die zwei Varianten an beiden Enden des Spektrums.

Aber warum hatte ich immer angenommen, dass ich zufällig besonders häufig an solche Männer geraten war und eher selten an jene, die keinen Unterschied machten zwischen Vulvalippen, Mund und Bauch und alles erkosten wollten?! Ich wusste doch vom Orgasm Gap und dass Frauen in lesbischen Beziehungen häufiger kommen als Heten.

Hatte ich denn nie andere nach ihren Erfahrungen gefragt? Nicht einmal mit meiner Friseurin hatte ich über das Thema gesprochen. Jessi und ich hatten uns nur einmal kurz über Penisgrößen ausgetauscht und waren uns einig, dass nach Erfahrungen mit dem einen und dem anderen eine gewisse Mittelmäßigkeit in dieser Hinsicht genau das Richtige sei.

Ein Code, der signalisiert, auf welche Sexpraktiken man steht, wäre gut

Ich versuchte mir ein Gespräch mit meinen Freun­din­nen vorzustellen. „Sagt mal, werdet ihr eigentlich von euren Sex-Partnern anständig geleckt?“ Nee, irgendwie nicht. „Führt ihr eine Statistik über die Verteilung von Fellatio und Cunnilingus beim Geschlechtsverkehr?“ Nein, auch nicht. Wahrscheinlich würde es den meisten so wie mir gehen und sie müssten erst einmal die Begriffe nachschlagen.

Ich habe mir das nie merken können. Ich hatte kein Latein als zweite Fremdsprache in der Schule (sondern Französisch, haha), aber selbst das hätte mir nicht unbedingt weitergeholfen, weil „fellare“ schlicht „saugen“ bedeutet; und ob Schü­le­r:in­nen beigebracht wird, dass „cunnus“ ein Ausdruck für das weibliche Geschlecht ist?

Zudem sind die meisten meiner Freundinnen seit 20 bis 25 Jahren mit ihren Partnern zusammen und erinnern sich vielleicht nicht mehr so genau an die Zeit davor. Ich habe auch nur noch neblige, eher detailarme Erinnerungen an Sex in der Schul- und Studienzeit. Oder ist das womöglich das Geheimnis dieser langjährigen Beziehungen? Leben sie seit einem Vierteljahrhundert eine beide Seiten zufriedenstellende Sexualität? Oder sind sie weniger monogam als ich annehme?

Ein Code könnte helfen

In jedem Fall wäre ein Hanky-Code gut, analog zu dem von Schwulen, die sich mithilfe farbiger Taschentücher in der Gesäßtasche signalisieren, auf welche Sex-Praktiken sie stehen. Hetero-Männer könnten ein Taschentuch um die Stirn tragen oder noch besser ein Schweißband. Aber nein, die jungen Menschen stehen auf depperten 80er-Jahre-Schick, das könnte als Mode-Accessoire missverstanden werden.

Also lieber gleich eine Signalflagge, funktioniert auch online. Pink: „Lecke auf Wunsch fast immer und komme auch unaufgefordert auf die Idee, dieses Angebot zu machen“, Schwarz: „Lecke ungern oder gar nicht“, Rot: „Lecke ausschließlich und habe keine Ideen, was sonst Spaß machen könnte.“

Denn diese Typen scheint es ja auch zu geben, jedenfalls stellen sich manche Männer in ihren Kontaktanzeigen als Cunnilingus-Fetischisten vor. Vielleicht ist das aber auch nur eine Masche, weil sie wissen, wie wenige ihrer Geschlechtsgenossen hier auf Gleichbehandlung achten.

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Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; seit 2019 in Weiterbildung zur systemischen Beraterin.

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