: Genau hinschauen
betr.: „Politik hat in der Popmusik nichts zu suchen“, Interview mit Sven Regener (Element of Crime), taz vom 6. 10. 05, LeserInnenbriefe dazu, taz vom 10. 10. 05
Ich bin definitiv nicht mit allem d’accord, was Sven Regener zum Thema Pop und Politik zu sagen hatte. Die abgedruckten Leserreaktionen zeigen allerdings, dass man vorm Kritisieren erst mal genau hinschauen sollte.
Im ganzen Interview steht kein Wort davon, dass Musiker sich nicht politisch engagieren sollten. Was Regener bemängelt, ist die Gleichsetzung von Songschreiben mit politischem Engagement, weil es zur gesellschaftlichen Veränderung halt nicht ausreicht, ein paar Liedchen zu trällern (haben die ganzen Anti-Nazi-Songs Anfang der 90er auch nur einen faschistischen Anschlag verhindert?!) – und das Hören von Politsongs ist übrigens erst recht kein politisches Engagement. Nichts gegen „Die Gedanken sind frei“, aber dieses Lied (das übrigens kein Popsong ist) entstand unter ganz anderen zeitlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen – was die Wirkungsmacht von Rockmusik in der Gegenwart angeht: Den flammenden Appell, den Patti Smith am Ende ihres Kölner Konzerts 2002 ans Publikum richtete bezüglich Bush/Irak etc. („Unite for peace – it’s time to get angry!“ etc.) hatten trotz heftigen Beifalls die meisten Hörer wohl direkt nach Verlassen der Halle sicher wieder vergessen …
Und was die Einschätzung „Typisch Herr Lehmann“ angeht, so sollte nur noch mal kurz darauf hingewiesen werden, das eine Romanfigur nicht mit dem Autor gleichgesetzt werden kann und auch das lyrische Ich in Songtexten nichts über den Verfasser aussagen muss. FRANK PÖRSCHKE, Hattingen