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Gelöbnis vor dem Schloß

■ Bundeswehr informiert Bezirksamt Charlottenburg: Rekrutenvereidigung auf dem Schloßplatz vor 4.400 Gästen

Trotz öffentlicher Proteste hält die Bundeswehr an ihrer Absicht fest, am 31. Mai zum ersten Mal seit dem Abzug der Alliierten in Westberlin eine öffentliche Vereidigung durchzuführen. Nach Informationen der bündnisgrünen Fraktion in Charlottenburg wurde das Bezirksamt in der letzten Woche über den genauen Fahrplan informiert. Danach sollen die Rekruten der Panzerbrigade 42 Ende Mai auf dem Schloßplatz den Eid auf die Bundesrepublik ablegen.

Die Bundeswehr wolle zu diesem Zweck Tribünen aufbauen und 4.400 Gäste laden, erklärte gestern Thomas Birk von der bündnisgrünen Fraktion in Charlottenburg. Um das Gelände weiträumig zu sichern, solle der Spandauer Damm ab 14 Uhr in beiden Fahrtrichtungen für zwei Stunden gesperrt werden.

Sollte sich die Bundeswehr tatsächlich für eine Zeremonie auf dem Schloßplatz entscheiden, wird der Bezirk wohl oder übel zum Zuschauer degradiert. Denn der Platz zwischen Gitter und Haupteingang unterstehe der Verwaltung der Berlin-Brandenburgischen Stiftung Schlösser und Gärten, so Birk. Zu befürchten sei daher, daß dem Bezirk am Ende nichts anderes übrigbleibe, als die Anweisungen zum Aufstellen der Umleitungsschilder zu erfüllen.

Die Art und Weise wie mit dem Bezirk umgegangen werde, sei „Landnahme“ empörte sich die bündnisgrünen Baustadträtin Beate Profé. Nach ihren Informationen hat es am vergangenen Donnerstag einen Ortstermin vor dem Schloß gegeben, zu dem auch das Tiefbau- und Gartenamt von Charlottenburg eingeladen worden seien. Es seien „technische Abstimmungen“ besprochen worden, sagte Profé. Es sei „ungeheuerlich“, daß der Bezirk außer dieser kurzfristigen Einladung zu dem Ortstermin bis heute nicht offiziell informiert worden sei.

Im Hickhack um den Truppenaufmarsch hatten die rot-grünen Bezirkspolitiker jüngst ein Eigentor geschossen. Am 25. April war in der Charlottenburger Bezirksverordnetenversammlung ein bündnisgrüner Antrag gegen das Gelöbnis gescheitert, weil ausgerechnet ein Mitglied ihrer eigenen und zwei der SPD-Fraktion an diesem Tag fehlten. So endete die Abstimmung mit 21 Stimmen von SPD und Bündnisgrünen gegen 21 der CDU im Patt.

Trotz der jetzt bekanntgewordenen konkreten Pläne glaubt der Sprecher der „Kampagne gegen Wehrpflicht“, Christian Herz, daß das letzte Wort in Sachen Vereidigung noch nicht gesprochen ist. „Das kann sich noch ändern.“ Die Kampagne wolle deshalb durch öffentlichen Druck erreichen, daß die Bundeswehr in „eine Turnhalle zieht, so wie sie es ja auch schon überlegt hat“.

Sollte die Vereidigung der Panzersoldaten am Ende vor dem Schloß stattfinden, wäre sie zwar nicht die erste unter freiem Himmel, aber die erste außerhalb eines militärischen Schutzgebietes. Bereits im vergangenen Jahr hatten Rekruten in Anwesenheit von Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) den Eid abgelegt – nach starken öffentlichen Protesten aber hinter den gesicherten Absperrungen in der Julius-Leber- Kaserne in Reinickendorf. Severin Weiland

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