Gelöbnis-Gegner im Interview: "Protest ist kein Ritual"
Martin Frings (25) will ein lautes Zeichen gegen das Gelöbnis setzen. Die Bundeswehr hält der Krankenpfleger für ein Kriegsinstrument.
taz: Herr Fings, Sie bezeichnen sich als Antimilitarist. War es für Sie jemals vorstellbar, zur Bundeswehr zu gehen?
Martin Frings: Eher nicht. Ich hatte als Teenager eine Freundin aus England und Bekannte in Frankreich. Der Gedanke, dass wir einmal an verschiedenen Fronten aufeinander schießen könnten - und zwar für Interessen, die nicht unsere sind -, das ist einfach pervers.
Der 25-Jährige ist Hauskrankenpfleger aus Neukölln. Frings ist Mitglied im "Gelöbnix"-Bündnis, das am Montag gegen die Vereidigung von Rekruten vor dem Reichstag demonstrieren will.
Er hat sich als Einzelperson dem Protest angeschlossen, weil er die "Normalisierung militärischer Propaganda-Veranstaltungen" nicht dulden will.
Also haben Sie verweigert?
Nein, ich habe mich ausmustern lassen. Hätte das nicht geklappt, hätte ich totalverweigert.
Wie kam es, dass Sie aktiv gegen die Bundeswehr Politik gemachgt haben?
Ich hatte viel gelesen über den preußischen Militarismus als Vorläufer des faschistischen Militarismus. Später auch über Militärputsche in Lateinamerika. Besonders die Niederschlagung der Demokratie durch das Militär in Chile hatte mich mitgenommen. Das hat gezeigt, dass auch in Demokratien Armeen bereit sind, jeweilige Machtansprüche durchzusetzen. Und Politik, die militärische Lösungen sucht, will ich nicht mittragen.
In Deutschland sieht die Realität aber anders aus …
Aber die Bundeswehr ist inzwischen längst weltweit im Einsatz - ganz im Gegensatz zu ihrem Auftrag als Verteidigungsarmee. Und anders, als es aus der nationalsozialistischen Vergangenheit zu verantworten wäre. Im Weißbuch der Bundeswehr steht ganz offen: Hier geht es um die Sicherung von Rohstoffen oder Transportwegen. Und wenn selbst die Grünen zu Kriegsbefürwortern werden, muss es laute Gegenstimmen geben.
Dennoch definiert sich Deutschland als Zivilmacht.
Ja, ja, die Bundeswehr als bewaffneter Sozialhelfer, der weltweit fürs Gute kämpft. So wollen sie sich gerne inszenieren. Es gab schon immer schöne Begründungen für das Töten. Genau das will ich nicht zulassen. Hinter dieser Maske des neuen Heldentums - jetzt sogar mit Tapferkeitsmedaille - steht immer das Gesicht des Krieges.
Die Bürger müssten Sie da auf Ihrer Seite haben. Die Mehrzahl der Deutschen lehnt den Afghanistaneinsatz ab.
Zu Recht. Warum soll Deutschland am Hindukusch verteidigt werden? Man kann nicht in ein Land einreiten, Fakten schaffen, sich als Beschützer der Witwen und Waisen darstellen und dann sagen, wir können hier nicht mehr raus. Ich dachte, wir sind in einer Demokratie: Wenn die Mehrheit sagt, die sollen da raus, warum gibt es keinen Abzug?
Auch beim Protest gegen das Bombodrom gab es Widerstand aus der lokalen Bevölkerung.
Hier hat sich gezeigt, was bewirkt werden kann, wenn die Leute dranbleiben. In der Kyritz-Ruppiner Heide wäre eine Infrastruktur geschaffen worden, die Deutschland militärisch enorm aufgewertet hätte. Ich hoffe, dass wir den Schwung aus dem Bombodrom-Erfolg mitnehmen können. Erfolge sind die beste Öffentlichkeitsarbeit.
In den vergangenen Jahren erschien der Anti-Gelöbnis-Protest allerdings mehr als Ritual.
Das würde ich nicht sagen. Der Protest ist kein Ritual, weil er nicht inhaltsleer ist. Wir wollen keine Propagandashow und keine Normalisierung der Bundeswehr in der Öffentlichkeit. Wenn sie dorthin will, muss sie auch kritische Stimmen vertragen. Deshalb will ich in Hör- und Sichtweite protestieren.
Was kann der Gelöbnix-Protest heute noch erreichen?
Das Ziel ist, dass sich die Bundeswehr wieder in ihre Kasernenhöfe zurückzieht. Das ist kein Machtspiel, sondern eine Rückeroberung unserer Freiräume. Beim Bombodrom hat man gesehen, dass solche Forderungen Erfolg haben können. Ich will nicht nur eine moralische Stimme sein, sondern auch etwas zum Besseren verändern. Dafür darf man nicht nur Luftballons steigen lassen.
Womit, wenn nicht mit Ballons, wollen Sie denn am Montag aufwarten?
Ich will ein sichtbares und lautes Zeichen setzen, auch mit Sirenen und lebensfroher Musik. Außerdem kann man Militarismus auch an anderer Stelle in der Stadt thematisieren.
Sollte die Bundeswehr eigentlich ganz abgeschafft werden?
Langfristig natürlich. Das Schießen auf Menschen ist unmenschlich. Wir müssen Bedingungen schaffen, dass sich niemand derart bedroht fühlt, dass er zur Waffe greift. Dafür brauchte es eine Globalisierung der Solidarität.
"Die Bundeswehr soll sich in ihre Höfe zurückziehen. Wir müssen unsere Freiräume zurückerobern"
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“