: Gelli: „Ich bin politisch Verfolgter“
■ Der ehemalige Chef der Geheimloge „P2“ steht in Genf vor Gericht / Anschließend Auslieferung an Italien?
Genf (dpa) - Der frühere Chef der verbotenen italienischen Geheimloge P 2, Licio Gelli (69), hat sich am Dienstag vor einem Genfer Gericht als „politisch Verfolgter“ bezeichnet, den man in seiner Heimat für alle nur denkbaren Übel verantwortlich mache. „Ich bin in Italien jeder Tat und ihres Gegenteils angeklagt“, erklärte Gelli. Dagegen bekannte er sich der Beamtenbestechung gegenüber einem Genfer Gefängnisaufseher für schuldig, der ihm 1983 half, aus der Haft zu entkommen. Staatsanwalt Bernard Corbaz sprach sich gegen mildernde Umstände für Gelli aus. Er sei nicht aus Reue nach Genf zurückge kehrt, sondern weil er von den Auslieferungsbestimmungen profitieren wolle. Sie sehen vor, daß die italienischen Behörden ihn nur wegen solcher Delikte vor Gericht stellen könnten, die auch in der Schweiz strafwürdig sind. Vergehen politischer, militärischer oder fiskalischer Art fallen nicht darunter. Ein Gericht in Florenz hatte Gelli erst Mitte Dezember in Abwesenheit wegen Unterstützung einer rechtsterroristischen Organisation zu acht Jahren Haft verurteilt. Wegen dieses Urteils braucht sich Gelli also keine großen Sorgen zu machen. Er wird aber noch wegen zahlreicher anderer Delikte gesucht, so wegen Betrugs und betrügerischen Bankrotts in Verbindung mit dem Zusammenbruch der Bank Ambrosiano. Gelli, der nach dem Urteil der Ärzte herzkrank ist, machte vor Gericht einen erschöpften Eindruck. Er wischte sich immer wieder den Schweiß von der Stirn und hustete zeitweise stark. Die Genfer Polizei hatte für den Prozeß umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Zu dem Verfahren reisten zahlreiche Journalisten aus Italien an. Wird Gelli mit Bewährung verurteilt, dann kann er umgehend nach Italien abgeschoben werden. Das Schweizer Bundesgericht hatte einer Auslieferung bereits 1983 zugestimmt.
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