: Geldstrafe für Spion–Redakteur
■ 400 DM für Artikel zur Wackersdorf–Blockadeaktion / „Aufforderung zu Straftaten“ in der Urteilsbegründung beibehalten / Staatsanwalt hatte höhere Geldstrafe gefordert / Verteidiger legte satirisches Talent an den Tag
Aus München Luitgard Koch
Ohne einen Anflug von Humor forderte der Münchner Staatsanwalt Mützel im Prozeß gegen den verantwortlichen Redakteur Christoph Schaddach von der Münchner Stadtzeitung Spion eine Geldstrafe von 1.200 Mark. (s. taz v. 6.2.86) „Man darf die Breitenwirkung dieser Artikel nicht übersehen“, betonte er und blieb dabei, daß der abgedruckte Artikel in der Nummer 48 des Spion zu den Blockadeaktionen in Wackersdorf mit der Überschrift „Geh bloß nicht zur Blockade“ - Satire hin oder her - nach Paragraph 111 StGB „öffentliche Aufforderung zu Straftaten“ ist. Für den „objektiven Leser“ sei die Gewaltaufforderung, obwohl sich der Spion in Selbstzensur übte und die entscheidenden Stellen mit schwarzen Balken überzog, erkennbar. Beim Plädoyer des Verteidigers Hartmut Wächtler konnte sich selbst die Richterin ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Ich habe meinem Mandanten geraten, sich entsprechend reuig zu verhalten, denn diese Staatsanwaltschaft gewinnt man nicht mit winkeladvokatischen Tricks wie scheinbaren Distanzierungen, Textschwärzungen und scheinbarer Ausgewogenheit“, erklärte der Münchner Rechtsanwalt. Seinem Mandanten habe er deshalb auch dringend davon abgeraten, sich „tückisch“ auf irgendwelche Rechtspositionen, wie etwa das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Blockaden, zu beziehen. Was für den „objektiven Leser“ schwarz auf weiß im Spion stehe, wisse eben nur die Staatsanwaltschaft, die „bekanntlich die objektivste Behörde der Welt ist“. Verdächtig sei ja allein schon der Name der Zeitung. Doch auf die Staatsanwaltschaft könnte demnächst noch ein weiteres Problem zukommen, gab er zu bedenken. Für den Fall nämlich, daß der Spion in Zukunft demonstrativ schweigen wird. Der „objektive“ Leser bzw. Nichtleser wüßte dann nämlich sofort, daß dieses Schweigen nur abwertend und staatszersetzend gemeint sein könne. In der Lesart der Staatsanwaltschaft käme heraus: Ich muß schweigen, denn sonst würde ich verfolgt, da der Spion bekanntermaßen nicht staatstragend ist. Deshalb muß mich der Staatsanwalt verfolgen. „Eine solche Behauptung meines Mandanten, durch sein demonstratives Schweigen umso beredter verbreitet und für jeden objektiven Nichtleser erkennbar, wäre zweifellos eine Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole“, stellte der Anwalt fest. Deshalb sein Vorschlag: seinem Mandanten einfach alle 14 Tage, egal ob der Spion erscheine und was in ihm stehe, vorbeugend einen Strafbefehl zu schicken. „Denn strafbar ist es allemal“, beruhigte er den Staatsanwalt und forderte unter Gelächter der Prozeßbesucher „mit Nachdruck eine angemessene Aburteilung des Angeklagten“. Richterin Harmann ließ sich nicht beeindrucken. Zwar reduzierte sie die Geldstrafe auf 400 DM, doch hielt sie in der Urteilsbegründung am Vorwurf der „Aufforderung zu Straftaten“ fest.
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