Mit der Flächenstillegung auf Du und Du: „Geld fürs Nichtstun“
■ In Niedersachsen läuft ein Programm für Grünbrache
Hannover (dpa/vwd) – Acht seiner insgesamt 75 Hektar nahm Landwirt Kremeike aus Meinersen bei Gifhorn für das niedersächsische Grünbrache-Programm vom Frühsommer 1986 (kurz vor der Landtagswahl) aus der Produktion. Er verschweigt aber nicht, daß ihm die Entscheidung angesichts der nährstoffarmen Böden in der Südheide und des finanziellen Ausgleichs nicht schwer fiel. „Wenn ich Getreide angebaut hätte, hätte ich etwa 6.000 Mark überbehalten. Für die Grünbrache bekam ich 8.000 Mark“, berichtet er. Bei besserem Boden wäre ihm die Entscheidung aber nicht so leicht gefallen, räumt Kremeike ein. Die Ausgleichszahlungen – bis zu 1.600 Mark pro Hektar stillgelegten Ackers – reichten dann nicht aus.
Niedersachsens Landvolkpräsident Friedrich Rode, der sich für das Grünbrache-Programm starkmachte, bestätigt: „Die meisten Anmeldungen kommen aus den Kreisen Gifhorn, Uelzen und Stade“, von dort nämlich, wo die Böden oft nur die Güteklasse 15 bis 35 erreichen – im Vergleich: Ein Boden in der Hildesheimer Börde wird mit 98 bis 100 Punkten bewertet. So läßt das Interesse am Grünbrache-Programm nach, wo die Böden besser werden. „Wir bekommen Geld fürs Nichtstun“, erzählte ein Bauer, auf einem Sofa auf seinem Acker sitzend.
Auf fünf Jahre wurde das Grünbrache-Programm befristet. Der Bund gab im ersten Jahr mit 100 Millionen DM fünf Sechstel, Niedersachsen beteiligt sich mit einem Sechstel an der Finanzierung. Weil eine präjudizierende Wirkung auf andere Bundesländer befürchtet wurde, gab der Bund im zweiten Jahr mit 35 Millionen DM nur noch soviel Geld für das Modellprojekt, wie von den Bauern abgefordert worden war. Trotz vehementer Werbung vor allem des Landvolkverbandes für dieses Programm hatten nur etwa 7.300 Bauern Interesse angemeldet und 33.000 Hektar aus dem Getreideanbau genommen.
„Für die Nichtproduktion eines Doppelzentners Getreide zahlen wir 23 Mark pro Doppelzentner, die Überschußkosten belaufen sich auf 33 Mark pro Doppelzentner“, rechnet er vor.
Der Landvolkpräsident schmipft zugleich auf die „Eurokraten, die sagen, wenn einer seinen ganzen Betrieb stillegen will, soll er das doch“. Genau das nämlich sei „gesellschaftspolitisch nicht zu vertreten“. Rode fordert statt dessen eine Obergrenze für die stillzulegenden Flächen in einem Betrieb.
Der erste Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (ABL) und Landwirt Karsten Ellenberg aus Barum im Kreis Uelzen hält vom Grünbrache-Programm gar nichts: „Ich bezweifle, daß mit Flächenstillegungen langfristig Überschüsse abgebaut werden.“ Zusammen mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) spricht sich seine Organisation für eine Extensivierung (Verminderung) der Produktion auf der gesamten landwirtschaftlichen Fläche aus. Bauern, die Flächen stillegten, düngten nämlich die übrigen umso üppiger, um keine Verluste hinnehmen zu müssen, argumentieren ABL und BUND.
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