■ Mit den Bahnprojekten auf du und du: Geld aus allen Ecken
Berlin (taz/dpa) – Verkehrsminister Jürgen Wissmann (CDU) muß sparen, aber bauen will er trotzdem alle Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“. Nur soll bei einigen Autobahnen und Bahnstrecken der Bau etwas gestreckt und vielleicht etwas billiger gebaut werden – der Minister dachte dabei zum Beispiel an eine „schmalere Version“ der Waldautobahn durch die Thüringer Forsten. Die geplante ICE-Strecke Frankfurt am Main–Köln wird ebenfalls nicht aus dem Bundesetat 1996 gestrichen (taz v. 5. Juli). Gestern hat Wissmann wissen lassen, daß die Gelder für den Ankauf von Grundstücken für den Trassenbau ohne Zeitaufschub bewilligt würden. Die Entscheidung, so heißt es bei der hessischen CDU-Landtagsfraktion, sei ein Erfolg der massiven Bemühungen auch ihres Landesvorsitzenden Manfred Kanther, der als Bundesinnenminister in Bonn mit am Kabinettstisch gesessen habe.
Noch stärker haben sich allerdings die Kabinettskollegen Theo Waigel und Horst Seehofer (Wahlkreis Ingolstadt) ins Zeug gelegt. Trotz des Sparzwangs wird die laut Rechnungshof unnötige ICE-Strecke München–Ingolstadt–Nürnberg durchgezogen. Weil derzeit kein Geld im Haushalt übrig ist, greift Waigel zu einem Bilanztrick: Für den Bau der Trasse schießen zwar bis zum Jahr 2003 private Investoren 7 Milliarden Mark vor, die Summe taucht aber erst im Bundeshaushalt auf, wenn der Bund inklusive Zinseszinsen die Strecke zurückkauft. In 15 Jahresraten werden dann insgesamt 15,6 Milliarden Mark fällig. „Damit werden unsere schlimmsten Erwartungen übertroffen“, so Albert Schmidt, Bahnexperte der Bündnisgrünen in Bonn. Bei einer Fahrzeitersparnis von 11 Minuten gegenüber dem weitaus billigeren Ausbau der Alternativstrecke über Augsburg koste jede Minute den Steuerzahler satte 1,5 Milliarden Mark, so Schmidt. – Auch das Vermögen der Bahn wird schneller geplündert als geplant. Im nächsten Bundeshaushalt sollen 600 zusätzliche Millionen aus dem Verkauf von Grundstücken kommen, die nicht für den Betrieb benötigt werden; „mittelfristig“ sollen die 140.000 Wohnungen der Bahn verkauft werden. Die 41.000 Kilometer Telefonkabel entlang den Strecken der Deutschen Bahn AG werden ebenfalls privatisiert. Das nach der Telekom zweitgrößte Netz in Deutschland muß dringend für den modernen Datenverkehr fit gemacht werden, bevor dicke Gewinne eingefahren werden können. Ein Privatunternehmen soll die Leitungen nun auf Vordermann bringen, die Bahn least später ihr eigenes Netz wieder zurück. Die Profite hätte natürlich auch die Bahn gut brauchen können. kpk/rem
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