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Geläuterter Gang

■ "Sex bizarr - Domina als Therapeutin", 21.45, WEST 3

Wenn der WDR in seiner Lebenshilfe-Reihe „Signale“ einen Film über Dominas und ihre Kunden ausstrahlt, kann man getrost davon ausgehen, daß hier nicht der ganz normale Voyeurismus mit Schweinkram bedient werden soll. Und wenn im Laufe des Films Papa Bornemann erklärt, daß er sich selbst vom „leichten und geläuterten Gang“ von Domina- Kunden nach dem Studiobesuch überzeugt habe, ist klar, hier geht's um Hilfestellungen in existentieller Not.

So ist dem Film von Rüdiger Daniel und Anka Rach sein ernsthaftes Bemühen auch nicht abzusprechen. Im schlichten Wechselschnitt dokumentieren sie Behandlungsszenen, Interviews mit Kunden und zwei Dominas. Eine von ihnen ist die inzwischen Talk- Show-bekannte Heidemarie Emmermann, die als ehemalige Theologin einiges an Erfahrung mit dem System von Strafe und Erlösung in ihren Beruf einbringen konnte. Was die Kunden da äußern (einer offen, die anderen mit allen nur denkbaren Varianten der Anonymitätswahrung), ist durchaus erhellend und allemal angetan, jenes Bild vom älteren, nadelgestreiften Manager mit Schuldkomplexen als typischen Domina-Besucher zu differenzieren. Inwieweit die beiden Dominas als repräsentativ für das Gewerbe gelten können, ist eine andere Frage. Die Damen geben sich in den Interviews derart therapeutisch ambitioniert und „finanziell interesselos“, daß es geradezu skandalös anmutet, daß die Krankenkassen diese Form der Gesundheitspflege noch nicht anerkannt haben.

Doch die grundsätzliche Crux des Films ist eine andere. Offensichtlich wollten die beiden Filmemacher es nicht bei Gesprächen über und mit Dominas und ihre(n) Kunden belassen, sondern auch auf Bilder von entsprechenden Behandlungen nicht gänzlich verzichten. Doch sosehr jene dezent vorgeführten Praktiken im Rahmen des Rituals für den jeweiligen Kunden überaus sinnvoll und hilfreich sein mögen, so unvermeidlich konterkarieren solche Sequenzen das ernsthafte Anliegen des Films.

Denn wenn Frau Emmermann, eben noch sittsam am Tisch mit Palme im Hintergrund, in der nächsten Szene im Domina-Outfit ihren Kunden mit betont verruchter Stimme anraunzt: „Worum geht es dir heute?“ und der kleinlaut preisgibt: „Um Unterwerfung“, wird man als unbeteiligter Beobachter nicht nur zwangsläufig zum Voyeur, sondern ebenso unwillkürlich vom Lachreiz befallen. Reinhard Lüke

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