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Geisteswissenschaftler umzingelt von Asbest

■ Asbest auch im B-Trakt GW 2 – weiträumig abgeriegelt wird aber nicht

„Ich findes es schlimm, daß man nichts erfährt“, sagt eine Studentin, die im Uni-Gebäude GW 2, Trakt B, vor fünf geschlossenen Türen steht. Nichts weist auf eine Asbestverseuchung hin: keine Abdichtungen an den Türen, kein Informationsschreiben. Lediglich die Ausweichräume sind angegeben. Was seit einer Woche an der Bremer Universität vor sich geht, erscheint vielen StudentInnen recht sonderbar. Am Freitag vor einer Woche lagen neue Ergebnisse einer Asbest-Messung vor. Außer im ausgebrannten Trakt A war zum Vergleich auch in fünf Räumen des B-Traktes gemessen worden. Die betroffenen Räume wurden zwar sofort geschlossen, aber nicht großräumig abgeriegelt.

Die taz wird von der Pressestelle an den Sicherheits-Ingenier Joachim Förster verwiesen, der die Schließung veranlaßt hatte. Seine Hiobsbotschaft: „Auch in Räumen des B-Traktes wurde Asbest über dem Richtwert des Bundesgesundheitsamtes gemessen.“ Dazu gab am 8. November, also vier Tage nachdem die Meßergebnisse vorlagen, die „Arbeitsgemeinschaft Brand“ eine „Aktuelle Information“ heraus. Darin heißt es, „daß die im Brandbereich durchgeführten Asbestmessungen zu unsystematischen Ergebnissen geführt haben“. Durch Kontrollmessungen außerhalb des Brandgebietes seien in einigen Räumen unerklärbare Werte festgestellt worden. Ingenieur Förster: Alle liegen über dem Limit. Trotzdem will die Uni erst die Ergebnisse einer „systematischen Kontrolluntersuchung“ abwarten, bevor sie weitere Schritte einleitet.

In den betroffenen Räumen im B-Trakt hatte schon seit Semesterbeginn der reguläre Unialltag Einzug gehalten. Es galt als sicher, daß hier keine Gesundheitsgefährdung bestand. Der durch den Brand betroffene A-Trakt des Gebäudes war angeblich sorgfältig abgesichert worden, und die Sanierungsarbeiten laufen seit Ende September auf vollen Touren. Erst durch die Vergleichsuntersuchung zwischen A- und B-Trakt fand man heraus, daß auf einem Kubikmeter Raumluft im B-Trakt bis zu 1.490 Asbestfasern schwirren. Die zulässige Höchstgrenze beträgt 1.000 Fasern pro Kubikmeter.

Völlig unklar ist noch, woher das Asbest im B-Trakt kommt. „Es muß nicht durch den Brand verursacht worden sein, da diese Räume nicht in direkter Verbindung mit dem A-Trakt stehen“, erklärt der Sicherheitsingenieur. Solche Asbestkonzentrationen könnten auch durch eine „Pumpwirkung“ in den Räumen entstanden sein, also durch das Öffnen und Schließen der Türen – dadurch können mit der Zeit die Wandfugen brüchig werden, wodurch Asbest entweichen könnte. Natürlich könne man dann auch nicht sagen, wie lange schon eine so hohe Konzentration in diesen Räumen vorhanden ist. Der Sicherheits-Ingenieur zweifelt bislang die Aussagekraft der letzten Messungen an, da sie nicht von einem staatlich anerkannten Institut durchgeführt wurden.

„Wenn in den betroffenen Räumen Asbest freigesetzt wurde, dann muß davon ausgegangen werden, daß auch in der unmittelbaren Umgebung Asbeststaub vorhanden ist“, so Dr. Stefan Pierdzig, von der Asbest-Untersuchungsfirma „CRB-Analyse Service“ in Hardegsen. Deswegen sei eigentlich eine weiträumige Absperrung des betroffenen Gebietes notwendig. Zwar könne man eine akute Gesundheitsgefährdung nicht nachweisen, aber über die Schädlichkeit von Asbest bestehe kein Zweifel: „Sogar eine einzige Faser kann zur Erkrankung führen“, weiß Joachim Förster.

Die Kontrolluntersuchungen werden erst nach Buß- unf Bettag abgeschlossen sein. Jetzt soll ein Krisenstab nach möglichen Ausweichquartieren für das GW 2 suchen.

Luigi La Grotta

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