: Gehört werden
Vielleicht sogar Free Jazz: Das „Steve Reid Quartet“ zu Gast im Birdland
„Während die Major-Labels sich immer weiter vom Jazz wegbewegen und immer tiefer in stagnierenden, elektronisch erzeugten Sounds versinken, finden es immer mehr Musiker notwendig, ihre Platten selbst zu finanzieren, aufzunehmen und herauszubringen – um so gehört zu werden, wie sie gehört werden wollen.“ Das schrieb, wohlgemerkt zu Beginn des Jahres 1977, der damals umtriebige Jazzpublizist Chris Albertson, in einer Rezension des Steve-Reid-Albums Nova.
Es ist nicht unbedingt davon auszugehen, dass Reid, weitgehend in Vergessenheit geratener Free Jazz-Schlagzeuger, den kulturpessimistischen Anteil in Albertsons Aussage teilt. Seit er als Teenager, so geht eine der wenigen kursierenden Geschichten über den New Yorker, eher zufällig als überdurchschnittlich talentierter Schlagzeuger entdeckt wurde, spielte er zwar angeblich nahezu jede Nacht seines Lebens in irgendeinem Schuppen als Side-man teils wirklich bekannter Hauptakteure. Aber er war auch politischer Aktivist, saß zwei Jahre als Wehrdienstverweigerer hinter Gittern und verstand seine Musik, die er Deep Jazz nannte, als „positive Kraft gegen Geschäftsmänner, Plattenfirmenfunktionäre, Radiomacher, Kritiker und Promoter“.
Wenn Reid nun im gediegenen Jazzclub Birdland gastiert, mag damit zu rechnen sein, dass von den musikalischen wie inhaltlichen Extremen seiner 70er-Jahre-Platten nicht viel übrig geblieben ist. Reid hat seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, nicht mehr unter eigenem Namen veröffentlicht, jetzt wird ein Set zwischen afrikanischer Polyrhythmik und John-Coltrane-Bearbeitungen angekündigt. Vielleicht allerdings steht da aber auch eine ganz große Sensation ins Haus. Alexander Diehl
Sonnabend, 21 Uhr, Birdland