■ Soundcheck: Gehört: Phish
Gehört: Phish. Wer glaubt, das spießig-peacige Motto „We are one family“ gelte in den 90ern vor allem für Veranstaltungen, wo Jugendliche zuckend hinter lärmenden Lastern herlaufen, liegt natürlich falsch. Spätestens seit dem vorgestrigen Auftritt von Phish in der Markthalle steht fest, daß auch die guten, alten Hippies sich wieder öffentlich formieren und vereinheitlichen. Langhaarige, batikbewandete, kiffende Alt- und Neo-Exemplare jener Spezies scharten sich barfüßig im Saal, um woodstockmäßige Festival-Laune zu verbreiten. Die vielen rucksackschleppenden Amis mit Grateful Dead-T-Shirts wiesen darauf hin, daß Phish die Funktion übernommen haben, das Ende jener Hippie-Heroen zu kompensieren – Phishköppe statt Deadheads.
Die eingefleischten Phish-Freunde feierten ihre Idole vom ersten Moment an euphorisch. Was allerdings an dem hemmungslosen Dauer-Rumgegniedel der vier Möchtegern-Musik-Omnipotenzler so toll ist, bleibt den Eingeweihten vorbehalten. Phish zeigten zwar erfolgreich, daß sie irgendwie alles drauf haben – aber eben nichts richtig. Der eklektizistische Musikstil-Mischmasch nervte auf Dauer.
Doch die Fangemeinde schwitzte derweil in selig-einsgewordener Verzückung im abgestandenen Wasser des Phish-Aquariums und huldigte den langweiligen All-In-One-Muckern. Einer schrie sogar: „You are my heroes!“ Da offenbarte sich dann ein nahezu sektenartiger Charakter dieses seltsamen Sozialsystems (wie war das noch mit dem christlichen Fischsymbol?) und es roch ein wenig nach Privatreligion – eben phishig. Eine schrecklich nette Familie.
Christian Schuldt/Foto: jms
Heute nochmal im Stadtpark im Vorprogramm von Santana (sic!)
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