■ Soundcheck: Gehört: Beth Orton
Gehört: Beth Orton Ein Konzert ist dann kein Konzert, wenn eine Folkpop-Diseuse zur großen Schwelgschwärmzaubererei mit Musik bittet. Die Sängerin Beth Orton ist gerade dabei, eine zu werden. Sie und ihre Band ließen wirklich wenig aus: Diese holde Sanftheit, in welcher Tragik als eine Kuscheldecke vorkommen kann, also wirklich hui. Und dazu, gar nicht pfui, die Feinarbeit an den Instrumenten, das Lieblingskind von solchen, die sich die Musik nicht vom Leben verderben lassen. Als da zu hören waren: Gitarrenakkorde, die sich in Songs reinperlen. Percussion, die sich mit so vielen verschiedenen Bewegungen an die Gesangsstimme heranschmiegt, daß die Bewegungen nachgezeichnet eine Laokoon-Gruppe ergäben. Ein Baß, der sich melodiös so weit und lang versteigt, bis die tiefen Töne Wahlverwandtschaften untereinander entdecken. Schließlich die Sängerin Orton. Eine, die ihren Vorbildern nicht zu nahe treten möchte, und die sich doch nichts weiter wünscht, als in aller Inruhegelassenheit ihr Ding – und man entschuldige den fordernden Ton – durchzuziehen.
Orton behandelt Töne mit anrührender Andacht. Sie säkularisiert die metaphysischen Begebenheiten in ihrem Kehlkopf für das Publikum im Knust. Sie hat zwischen den Songs viel zu tun, sie schaut sich um, dreht sich um, und nennt den nächsten für das Protokoll vollständigkeitsbewußt die nächste Single-Auskopplung. Sie achtet darauf, daß es nicht zu sehr auffällt, wenn sie sich eine akkustische Gitarre um- und wieder abhängt. Zu schnell verflüchtigte sich das Recht aufzutreten, hinaus auf den Asphalt der leicht eingenebelten Brandstwiete, nicht wahr?! In diesem Konzert lieferte das frei übernommene Motto für die Musik eine schreibende Künstler-Kollegin der Sängerin: eine Orton, nirgends.
Kristof Schreuf
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