■ Soundcheck: Gehört: Beenie Man und Live
Gehört: Beenie Man. Wäre dies Jamaika gewesen, wären wahrscheinlich die Eintrittszahlen von Beenie Man am Mittwoch im Vergleich zu denen von Bounty Killer vor sechs Wochen das wichtigste Kriterium der Beurteilung des Konzertes gewesen. Aber hier ist Hamburg, und Beenie Man mußte in der Fabrik zeigen, ob er vor einem hiesigen Publikum seinen jamaikanischen Titel als bester DJ und Entertainer 1996 gerecht wird. Und er setzte sich deutlich gegen den Rest der Shocking Vibes-Crew ab. Little Kirk begeisterte wie erhofft als Sänger, DJ Snagga Puss stürzte sich wie erwartet mit seinen Texten in den Abgrund, Tanto Metro konnte erstaunlicherweise als Sänger und DJ glänzen und Silver Cat machte geographische Unterschiede deutlich.
Beenie Man bewies schon mit seinem letzten Album Maestro, wie abwechslungsreich Dancehall und speziell er als Künstler ist. Auf der Bühne war dann echtes Entertainment zu bewundern: Schwanensee- bis Twist-Tanzeinlagen, eine Vielfalt an Gesangsstilen und Riddims, die zeigten, daß Reggae mehr als einen schlichten Off-Beat zu bieten hat. Er, der schon im zarten Alter von elf Jahren auf der Bühne stand, bot eine perfekte Show. Gerade bei jamaikanischer Dancehall-Musik achtet das hiesige Publikum auf Sexismus in Benehmen, in Texten und Ansprache. Beenie Man trat in keinen offensichtlichen Fettnapf, so daß er trotz geringerer Besucherzahlen als zuvor beim Punk Bounty Killer das publikumsfreundlichere Konzert ablieferte. Silke Schulz
Gehört: Live. Es gibt immer Gründe, eine Band wie Live zu hassen: Zu erfolgreich, zu gut frisiert, zu leicht auszurechnen. Doch zwischen Hysterie und Häme hat sich die Band behaglich eingerichtet, und nachdem Sänger Ed Kowalczyk mutig seine Liebe zum Stadionrock bekannt hat, darf sie es sich sogar leisten, die Erwartungshaltungen hingebungsvoll trunkener Fans zu bedienen.
Das Konzert in der ausverkauften Großen Freiheit folgt einer durchschaubaren Dramaturgie, im kleinen wie im großen. Erst wird die Masse eingelullt, dann mit sattem Gebratze durchgeknetet. Dabei mühen sich Live, stets einen Wiedererkennungswert zu garantieren: Selbst ein Song wie „White, Discussion“, der klare Schluß- und Höhepunkt der Show, folgt denselben destruktiven Regeln wie die Studioversion.
Da bleibt Kowalczyk, der sonst gerne den scheuen Denker gibt, genug Raum, um seine Rolle als Entertainer zu definieren. Den Rattenfänger – also nackte Brust, Kniefälle undsoweiter, eben Stadionrock – mimt er noch etwas unentschlossen; der Berserker, dessen weitaufgerissene Augen Ekstase heucheln, gelingt ihm besser.
Aber alles halb so wild, es waren vorgetäuschte Orgasmen, Wut und Tränen zum Selberbauen. Kowalczyk singt zwar von Alpträumen, wird aber dennoch prima schlafen können. Und er ist solide und sonderbar genug, eines Tages ein richtiger Popstar zu werden.
Björn Ahrens
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