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Geheimdienst macht Öffentlichkeitsarbeit

Das zwar mit Lebensmitteln schwach aber mit Paradoxa reich versorgte Moskau feierte am Mittwoch ein Ereignis ganz besonders widersprüchlicher Art. Der Geheimdienst KGB will sich künftig von der Glasnost durchleuchten lassen und hat zu diesem Behuf ein „Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit“ ins Leben gerufen. In der traditionsreichen Lubjanka übte sich der Leiter des neuen Zentrums, Alexander Karbajnov, artig in Selbstkritik. In der Vergangenheit seien dem KGB tragische Fehler unterlaufen. Gerade deshalb sei es jetzt notwendig, mit einem neuen Gesetz den KGB rechtsstaatlichen Standards anzupassen. Praktischerweise hat der KGB selbst bereits den Entwurf dafür ausgearbeitet. Wegen der exzessiven Zuständigkeitsbeschreibungen, der weiterbestehenden Pflicht zur Zusammenarbeit mit den „Organen“, dem mangelnden Rechtsschutz der Bürger und ähnlichen „Unzulänglichkeiten“ hat der Entwurf allerdings nicht den ungeteilten Beifall der Öffentlichkeit gefunden. So sahen sich die Public- Relations-Leute des KGB während der Pressekonferenz zahlreichen indiskreten Anfragen ausgesetzt, die sie allerdings mit Bravour abwehrten. So reagierten sie auf die Frage, wieviele Mitarbeiter ihre Behörde zähle, scharfsinnig: die Antwort hierauf verletze zwar kein Geheimnis des KGB, wohl aber ein Staatsgeheimnis. Einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß würden sie jederzeit Rede und Antwort stehen. Ersichtlich tut sich hier für die BRD ein weiteres Feld der Entwicklungshilfe auf: wachen doch die entsprechenden Gremien ohne Unterlaß darüber, daß wir von Wanzen im Wohnzimmer verschont bleiben — außer es besteht der dringende Verdacht der Staatsfeindlichkeit. Diese „doppelte Schutzfunktion“ den Bürgern klar zu machen, muß der KGB noch lernen.

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