piwik no script img

Gegen den Boden-Ausverkauf in den neuen Bundesländern

■ Erbbaurechts-Initiative zur Förderung des Allgemeinwohls

Stadt- und Landgemeinden der ehemaligen DDR unterliegen in ihrer Geldnot leicht der Verlockung, wegen der wirtschaftspolitisch gebotenen Privatisierung der Bodennutzung Grundstücke zu verkaufen. Damit verschenken sie wichtige und dauerhafte Einnahmequellen, die in vielen Fällen das Rückgrat des Gemeindehaushalts werden könnten. Der zu erwartende Wirtschaftsaufschwung, öffentliche Investitionen und neue Bauleitplanungen dürften nämlich in den neuen Bundesländern in wenigen Jahren enorme Bodenwertsteigerungen bewirken.

Wenn diese Gewinne, die nicht auf Leistungen der Bodeneigentümer beruhen, in private Hände fallen, wird ein ständiger Anreiz geboten zu privater Einflußnahme auf die Stadtplanung zur Erhöhung persönlicher Bodengewinne. Die Gemeinden verspielen somit auch wesentliche Chancen für eine gedeihliche städtebauliche Entwicklung.

Verstärkte Gewinne ohne Leistung gefährden im übrigen immer mehr den Ruf der sozialen Marktwirtschaft.

Bodenwertsteigerungen von einigen 100 Mrd. DM prognostizieren Experten des Seminars für freiheitliche Ordnung e.V. unter Berufung auf die Nachkriegserfahrungen in Westdeutschland.

Das Seminar für freiheitliche Ordnung ist eine seit vier Jahrzehnten bestehende Einrichtung der sozialwissenschaftlichen Forschung und Erwachsenenbildung, die eine Verbesserung der freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung unter besonderer Berücksichtigung der Kriterien der Gleichheit und Brüderlichkeit zum Ziele hat. Das Seminar befaßt sich seit vielen Jahren u.a. mit den Zusammenhängen von Marktwirtschaft, Bodenordnung und Stadtplanung. Die wirtschaftliche Umgestaltung in den neuen Bundesländern und im Ostteil Berlins gibt dem als gemeinnützig anerkannten Verein besonderen Anlaß, Empfehlungen zur Gestaltung der Bodenordnung zu geben.

Als Alternative zum Ausverkauf der Gemeinden schlägt das Seminar für die Privatisierung der Bodennutzung die Vergabe von Erbbaurechten vor: Die Gemeinden verkaufen Grundstücke grundsätzlich nicht mehr an Private, sondern vergeben sie nur noch im Erbbaurecht, das mit einer an Gerechtigkeits- und Effizienzkriterien orientierten Ausgestaltung der sozialen Marktwirtschaft besonders gut vereinbar ist. Über die Erbbauzinsen können die Gemeinden die künftigen großen Wertssteigerungen für sich und damit für das Wohl der Allgemeinheit vereinnahmen. Sie sichern sich ferner Planungsneutralität der Bodenordnung.

Das Seminar für freiheitliche Ordnung bietet im Rahmen einer soeben gestarteten Erbbaurechtsinitiative allen Interessenten, insbesondere den Gemeindeverwaltungen, kostenlos ausführliches Informationsmaterial an und unentgeltliche Beratung durch Mitglieder, die sich seit langem mit den einschlägigen Fragen befaßt haben. Auf Wunsch wird auch ein Muster-Erbbaurechtsvertrag übersandt.

Der Text der gesetzlichen Erbbaurechts-Verordnung ist übrigens in allen Kommentaren zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Literaturhinweisen abgedruckt und erläutert.

Das Grundgesetz gewährleistet in Artikel 28 die Gemeindeautonomie und legt somit die künftige Gestaltung der Bodenverhältnisse in die Hand der Gemeinden. Viel Zeit, die Chance zu einer zukunftsweisenden Bodenpolitik zu nutzen, bleibt nicht mehr, denn die Privatisierung durch Verkauf der Grundstücke läuft bereits. Josef Hüwe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen