■ Mit Energieverboten auf du und du: Gegen Stadt und RWE
Berlin (taz) – Der Rechtsstreit zwischen dem Kartellamt und den Energieversorgern samt ihren angeschlossenen Stadtwerken geht weiter. Am 28. Februar hat das Berliner Amt eine Untersagungsverfügung gegen die Stadt Nordhorn und Deutschlands größten Stromversorger, die RWE, erlassen. Die beiden Partner hatten im April 1995 einen Konzessionsvertrag über weitere 20 Jahre geschlossen, welcher der RWE das ausschließliche Recht einräumte, Stromleitungen über das Stadtgebiet zu verlegen – und damit nach Meinung des zuständigen Kartell-Abteilungschefs Professor Kurt Markert ein Monopol für das Energieversorgungsunternehmen garantiert.
Solche Monopole sind in Deutschland bei Strom und Gas eigentlich gang und gäbe. Für diese Bereiche wurde schließlich ausdrücklich das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) außer Kraft gesetzt. Doch Nordhorn ist ein besonderer Fall: Das Stadtgebiet grenzt direkt an die Niederlande und damit könnten theoretisch dortige Stromversorger liefern. Daß sie Kunden fänden, ist wahrscheinlich, die Strompreise im Nachbarland sind wesentlich niedriger.
Damit greift der Vertrag über die Europäische Gemeinschaft (EGV), genauer deren Artikel 85, Absatz 2. Der verbietet wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen wie die Ausschließlichkeitsklausel im Nordhorner Konzessionsvertrag und steht über länderspezifischen Gesetzen, wenn diese den grenzüberschreitenden Handel behindern.
Bei einem ähnlichen Verfahren vor zwei Jahren gegen RWE und die niederrheinische Stadt Kleve hatte EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert das Verfahren an sich gezogen. Darauf hoffte RWE wohl auch bei Nordhorn. Denn bis die EU- Kommission entscheidet, vergehen meist Jahre. Außerdem sehen Monopole europaweit betrachtet oft weniger gefährlich aus. Die Euro-Wettbewerbshüter drücken also eher ein Auge zu als die bundesdeutsche Behörde. Doch im Fall Nordhorn hat die EU laut Professor Markert schriftlich versichert, daß sie nicht eingreifen will.
RWE muß sich also mit dem Bundeskartellamt rumschlagen. Das wird der Konzern erfahrungsgemäß über das Kammergericht bis zum Bundesgerichtshof tun. Denn das Kartellamt hat vor dem Kammergericht in den rechtlich ähnlichen Fällen bei Gasmonopolisten und ihren Gebietsabsprachen in den neuen Bundesländern erst kürzlich „den Kürzeren gezogen“, gesteht Markert ein. Die schriftlichen Urteilsbegründungen liegen noch nicht vor. Das Kartellamt ist jedoch zuversichtlich, daß es in der Berufung vor dem Bundesgerichtshof Recht bekommt.
Den Stromversorgern droht ein Dominoeffekt. Wenn zum Beispiel in Nordhausen Leitungen eines niederländischen Stromversorgers verlegt würden, wären die angrenzenden Gebiete im deutschen Landesinneren plötzlich ebenfalls direkt an der Grenze zu niederländischem Gebiet gelegen – das Kartellamt könnte dann wohl weitere Verfahren nach dem EU-Recht eröffnen. Nach einem Musterverfahren könnte so mehr Wettbewerb im deutschen Energiemarkt einkehren – erst nach dem Jahr 2000, aber immer noch schneller als die angekündigten Entscheidungen der Politiker abzuwarten, glaubt Kurt Markert. rem
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