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Gegen Bettler und Hundekot

■ Polizei befragt BürgerInnen zur Inneren Sicherheit , wie sie sich denn bitteschön die Polizei wünschen / Martin Thomas (Grüne) fordert den Stop der „menschenverachtenden Aktion“

Post vom Polizeipräsidenten Rolf Lüken höchstpersönlich bekommen dieser Tage 3.000 BürgerInnen aus Gröpelingen, Findorff und Bremerhaven-Geestemünde. Das Anliegen ist ernst. Es geht um die Sicherheit des Landes. „Innere Sicherheit ist nur in Zusammenarbeit zwischen Polizei und Bürger – also mit Ihnen – zu gewährleisten“, wendet sich Lüken mit dem Segen des Innensenators Ralf H. Borttscheller (CDU) an die per Zufallsprinzip ausgewählten BürgerInnen. 30 Fragen sollen sie im Namen der Inneren Sicherheit beantworten. „Welches sind Ihrer Ansicht nach die drei dringendsten Probleme in Ihrem Stadtteil“, erkundigt sich der Polizeipräsident teilnahmsvoll. „Welche Maßnahmen würden Ihnen sinnvoll erscheinen, um die Sicherheit zu verbessern“, bittet Lüken die BürgerInnen um Rat. Er will wissen, wie sicher sich die Angeschriebenen in ihrem Stadtteil fühlen und ob sie mit „der Arbeit“der Justizbehörden, der Schulen und der Finanzämter zufrieden sind. Außerdem interessiert er sich dafür, wodurch sich die BürgerInnen gestört fühlen: durch Bettler, Hundekot, Jugendbanden oder durch beschädigte Telefonzellen?

„Der Fragebogen ist unerträglich“, schimpft Martin Thomas, innenpolitischer Sprecher der Grünen. Er will den Innensenator auffordern, die Fragebogenaktion sofort zu stoppen. „Der Fragebogen ist unsinnig. Bislang ist er nur in Stadtteilen mit starken wirtschaftlichen und sozialen Problemen verschickt worden. Von Repräsentativität kann also keine Rede sein“, so Thomas. Frage Nummer sechs hat ihn besonders verärgert: „Hundekot und Bettler in einem Atemzug zu nennen, ist menschenverachtend! In angespannten Zeiten, in denen die Leute nach Sündenböcken suchen, leisten solche Fragebögen nur einen Beitrag dazu, die Stimmung in der Gesellschaft anzuheizen.“Doch das ist nicht alles, was Thomas dem Polizeipräsidenten vorwirft. „Lüken hat seine Kompetenzen überschritten. Ob die Bürger mit dem Finanzamt, den Schulen oder der Justiz zufrieden sind, geht ihn gar nichts an.“Da die Angeschriebenen auch ihre Staatsangehörigkeit, den Schulabschluß, ihren Beruf, das Geschlecht, die Zahl ihrer Kinder und ihr Alter angeben sollen, will Thomas den Fragebogen dem Datenschutzbeauftragten zuschicken. „Wenn jemand die Daten aus der letzten Volkszählung hat, kann er auch zurückverfolgen, wer den Bogen ausgefüllt hat“, befürchtet er.

Holger Münch, Sprecher des Projektteams für die Polizeireform, der die Auswertung der Aktion koordiniert, versteht die Aufregung hingegen nicht. „Das ist doch nur ein Testlauf. Wir müssen erstmal abwarten, was rauskommt.“Er will mit dem Fragebogen, der an der Hochschule für Öffentliche Verwaltung von zwei Polizisten, einem Soziologen und einer Betriebswirtin entworfen worden ist, das „Dunkelfeld“von Straftaten aufhellen. Außerdem will er mehr über das „Sicherheitsempfinden“der BürgerInnen wissen. Wie die Polizei auf die Ergebnisse reagieren will, wenn sich die Angeschriebenen zum Beispiel mehr Polizei, aber weniger Ausländer wünschen, weiß Münch noch nicht. „Wir müssen sehen, was dran ist, und wenn nötig, Schwerpunkte in der Polizeiarbeit setzen. Das heißt nicht, daß wir gleich loslegen.“Daß die Ergebnisse ausschließlich auf den subjektiven Erfahrungen von BürgerInnen beruhen, deren Wahr-heitsgehalt schwer nachzuprüfen ist, stört ihn nicht. Münch: „Alles ist subjektiv.“ kes

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