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Gefangene werden nicht gemacht

■ Die britische Entsprechung zur bundesdeutschen GSG9, die SAS, ist als rücksichtslose Killertruppe bekannt

Dublin (taz) - „Vorausgesetzt, daß du noch lebst, wenn das Schießen aufhört: stell dich tot, bis die Soldaten abziehen, sonst versuchen sie wahrscheinlich, dir den Rest zu geben!“ Diese Empfehlung gab die nordirische Bürgerrechtsbewegung ihren Landsleuten im Jahr 1973. Die Soldaten, vor denen damals gewarnt wurde, waren Mitglieder der britischen Elitetruppe SAS (Special Air Service). Der SAS stellt bei seinen Einsätzen sicher, daß es keine Überlebenden gibt. Gefangene werden nie gemacht. Der SAS wurde 1941 gegründet, um das Nachrichtensystem in Nazi–Deutschland empfindlich zu stören. Philip Warner schreibt in seiner „Offiziellen Geschichte des SAS“: „Der SAS hatte Glück, daß er die besten Soldaten von der riesigen Kriegsarmee abziehen konnte. Heute sind die Soldaten zwar auch nicht schlechter, aber es gibt weniger, und die Rekrutierung ist schwieriger. Der SAS ist immer auf der Suche nach Offizieren. Er hat die Erfahrung gemacht, daß die physischen Anforderungen das geringste Problem sind, sondern daß die Voraussetzung der Intelligenz die größten Kopfschmerzen bereitet.“ Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der SAS aufgelöst. Erst 1952 wurde wieder ein reguläres SAS–Regiment aufgestellt. Die Einheit er warb sich schnell den Ruf als „Kantinen– Cowboys“. Schlägereien und Alkoholismus waren an der Tagesordnung. Doch die Übeltäter wurden bald „ausgemerzt“, wie Warner es nennt. Heute gelte: „Disziplin im SAS heißt Selbstdisziplin. Ein Mann, der einem Befehl nicht gehorcht, muß gehen.“ Nach Nordirland wurde der SAS offiziell im Januar 1976 entsandt, als der damalige britische Premierminister Wilson eine Serie politischer Morde unter Kontrolle bringen wollte. Doch schon damals sagte der Führer der Sozialdemokraten, Paddy Devlin: „Das ist nur eine kosmetische Übung. Der SAS war schon immer hier in Nordirland.“ Ein Jahr später wurden acht SAS–Männer auf südirischem Gebiet gestellt. Das Dubliner Gericht sprach sie frei: Sie hatten die Landkarte falsch gelesen... Die rücksichtslose Killer–Mentalität des SAS wurde der irischen Bevölkerung 1978 klar: Der SAS hatte auf einem Friedhof eine Falle gestellt, nachdem der 16jährige John Boyle die Polizei über einen Waffenfund informiert hatte. Allerdings hatte der SAS „vergessen“, den Jugendlichen davon in Kenntnis zu setzen. Als er den Friedhof betrat, wurde er vom SAS erschossen. Zwei Entenjägern ging es 1985 ebenso. Der SAS tötete sie sicherheitshalber, bevor er Fragen stellte. Der eindeutigste Fall der SAS–Mordpolitik ereignete sich im vergangenen Mai, als 20 SAS–Männer im nordirischen Loughgall einer IRA–Einheit auflauerten, die sie schon seit Wochen beobachtet hatten. Keiner der IRA–Leute, die sich zum Teil schon ergeben hatten, überlebte. Obendrein wurde ein Passant in seinem Auto bei der Aktion getötet. Die Aussage der SAS– Soldaten, daß er von einem Querschläger getroffen worden war, hielt der Beweisaufnahme nicht stand. Ein „Elitesoldat“ war zu dem Auto gerannt und hatte sein Magazin aus nächster Nähe auf den Passanten abgefeuert, weil er annahm, es handle sich um einen IRA– Mann. Keiner der SAS–Leute ist jemals angeklagt worden. „Der SAS ist Teil der regulären Armee und kämpft immer in Uniform“, schreibt Philip Warner. Am letzten Sonntag hat eine SAS– Einheit in Zivilkleidung drei unbewaffnete Menschen in Gibraltar ermordet. Das Schicksal der IRA–Mitglieder war bereits mit dem Einsatzbefehl an den SAS besiegelt. Der SAS erledigte die Aufgabe mit der üblichen Präzision. „Wenn er gegen Terroristen eingesetzt wird, agiert der SAS mit Feuerkraft, Schnelligkeit und Aggression, um den Feind zu eliminieren.“ Ralf Sotscheck

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