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Gefangene in Santiago de Chile treten in einen Durststreik

■ 135 politische Gefangene im Durststreik / Seit Mitte März befinden sich alle 431 politischen Häftlinge des Landes im Hungerstreik / UNO–Menschenrechtsbeauftragter seit Sonntag zu Besuch in Chile

Berlin (taz) - Im Zuchthaus der chilenischen Hauptstadt Santiago beginnen heute 135 politische Gefangene zusätzlich zu ihrem Hungerstreik auch einen Durststreik. Die Aktion findet während des Besuches von Fernando Valio statt, der als Sonderberichterstatter für Chile der Menschenrechtskommission der UNO seit Sonntag in Chile weilt. Seit Mitte März befinden sich alle 431 politischen Gefangenen in einem unbefristeten Hungerstreik. Sie fordern neben ihrer Zusammenlegung und einer unbeschränkten Besuchserlaubnis für die Angehörigen auch die Abschaffung der Sonder–Militärstaatsanwälte sowie der Todesstrafe. Für 14 Inhaftierte, die angeblich an dem mißglückten Attentat auf den Präsidenten Augusto Pinochet im letzten Jahr beteiligt gewesen sein sollen, forderte die Militärstaatsanwaltschaft kürzlich in ersten Instanz die Todesstrafe. Weiteren 34 Gefangenen, die im Zusammenhang mit dem Attentat verhaftet wurden, droht ebenfalls die Todesstrafe. Eine der Vertreterinnen der Angehörigen, die Mitglied der „Vereinigung der politischen Gefangenen Chiles“ ist, äußerte die Befürchtung: „Wenn sie einen der Unseren hinrichten, werden sie alle hinrichten“. Sie verwies auch auf die Rolle, die Militärstaatsanwälte außerhalb des Gerichtes spielen. So ermitteln sie nicht nur auf der Grundlage von Informationen des Geheimdienstes CNI, sondern greifen auch unmittelbar in den Gefängnisalltag ein, indem sie Häftlinge bestrafen, provozieren oder in Isolationshaft stecken. Außerdem sorgen sie für die Einschüchterung von Frauen und Kinder der Inhaftierten. So sei die 12jährige Tochter eines seit Herbst Inhafierten jetzt zum zweiten Mal entführt worden. Große Sorgen macht den Angehörigen der schlechte Gesundheitszustand der Gefangenen. Sie fürchten, daß der Durststreik für sie schwerwiegende Folgen haben könnte. Durchweg alle Gefangenen seien durch wiederholte Folterungen sehr geschwächt. Besonders katastrophal ist die hygienische Situation im Gefängnis von San Miguel im Großraum Santiagos, wo sich 38 Frauen und zwei Kleinkinder einen für zehn Personen ausgestatteten Trakt teilen müssen. Offenbar ist der jetzige Zeitpunkt des Hungerstreiks auch wegen des bevorstehenden Papstbesuches vom 1. bis 6. April in Chile gewählt worden. Bis heute haben die „Vereinigung der Angehörigen“ und andere Organisationen vergeblich versucht, den Papst zum Besuch eines Gefängnisses zu bewegen. Allerdings wird er im Nationalstadion, das nach dem Putsch 1973 zum ersten Konzentrationlager wurde, eine Messe für die Jugend halten. sevy.

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