piwik no script img

Gefährliches Krankenhaus

■ Chefarzt der Unfallchirurgie des Humboldt-Krankenhauses im Zwielicht: Fehlbehandlung, Regreßfälle, verschwundene Akten / Ermittlung wegen Todesfall

„Einschneidende Maßnahmen“ gegen den Chefarzt der Unfallchirurgie im Humboldt-Krankenhaus hat ein SPD-Mitglied im Gesundheitsausschuß des Abgeordnetenhauses gefordert. Den Angaben des Abgeordneten Reinhard Roß zufolge hat es seit Eröffnung des Krankenhauses im September 1985 insgesamt 27 Regreßfälle dort gegeben. Zwölf davon seien in der Abteilung Unfall- und Wiederherstellungschirurgie aufgetreten, die der Arzt S. Keschkes leite.

Die Kritik Roß‘ an dem Chefarzt geht auf eine Kleine Anfrage des SPD-Abgeordneten vom 18. April zurück. Sie war überschrieben mit „Fehlbehandlungen gefährden guten Ruf des Humboldt-Krankenhauses“. Mit seiner Antwort vom 31. Mai habe Gesundheitssenator Fink (CDU) „gravierende Fehlbehandlungen“ des Chirurgen in zwölf Fällen bestätigt. Sechs seien vor eine Schlichtungsstelle gekommen. Einer davon sei ohne Schadenersatzleistung beendet worden. Sechs weitere seien außerhalb der Schlichtungsstelle behandelt worden. „Auch hier konnten nur drei ohne Schadensersatzleistung beendet werden“, hieß es dazu. Keschkes nannte diese Zahlen „unrichtig“. Fünf der Fälle vor der Schlichtungsstelle seien noch offen, zwei erledigt, und die restlichen vier Patienten hätten sich nie mehr gemeldet, sagte er.

„Im Zusammenhang mit einem Todesfall sind mittlerweile Akten von der Staatsanwaltschaft angefordert worden“, hieß es in dem SPD-Bericht. Roß kenne persönlich den Fall einer Patientin, die sich wegen ihrer Ansicht nach fehlerhafter Behandlung in ein anderes Krankenhaus verlegen ließ und dort nur noch durch eine Unterschenkelamputation habe am Leben gehalten werden können. „Bezeichnenderweise sind die Krankenakten dieser Patientin seit diesem Zeitpunkt verschwunden“, hieß es dazu. Keschkes bestätigte den Verlust der Akten.

Keschkes geht Roß zufolge mehreren Nebentätigkeiten nach. Er habe bei seiner Klinik Außenstände „in sechsstelliger Höhe, weil die an das Krankenhaus abzuführenden Entgelte für Nebentätigkeiten nicht ordnungsgemäß entrichtet werden“. Keschkes räumte eine inzwischen beendete Nebentätigkeit ein. Der Chefarzt hat es zu vertreten, „daß in seiner Abteilung Untersuchungsräume mit Betten belegt sind, was eindeutig gegen die Krankenhausbetriebsverordnung verstößt“. Hinzu kämen äußerst kurze Liegefristen und die Doppelbelegung von Einzelzimmern. „Es stehen auch Betten auf dem Flur“, hieß es. Keschkes nannte eine durchschnittliche Belegungsrate seiner Abteilung von 103 Prozent.

ap

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen