piwik no script img

Geduztes Goldtkehlchen

■ Max Goldt, Erfinder abstruser Geschichten aus dem deutschen Alltag, in Bremen

Max Goldt. Platten hat er auch schon gemacht. Zum Beispiel mit „Foyer des Arts“ oder allein mit seinem Synthesizer. Schön einfach heimtückisch. Und seine Lieder: „Wissenswertes über Erlangen“, „Wolfram Siebeck hat recht“ oder „Hubschraubereinsatz“ - echte Poeten-Perlen im Popgeschäft. Wenn Max Goldt kommt, dann liest er auch. Vielstimmig aus seinen Gedichten, Betisen, dramatischen Miniaturen. Das kann Max Goldt. Er schlüpft in die Rollen, die sich in seinen bewegten Stilleben entfalten. Er wechselt Gangarten, Stimmungen, Lebensalter und - Weisheit, spielt mit Worten, Klängen und Stimmlagen. Eine Kostprobe. Minister Streifchen und sein Double

Zwei Kinder.

-Guck mal, da ist wieder Minister Streifchen mit seinem Double.

-Die gehen wieder Kinder gucken.

-Gehen die Kinder hin, zeigense ihm die Strietzenpampel odern Bimmelkosch, kriegense zwanzig Mark für.

-Was Minister Streifchen immer sein Double dabeihat, wenn er Kinder gucken geht.

-Na, damit ihn keiner erkennt, Mensch. Kinder gucken ist doch nicht erlaubt.

-Aber dann müßte er sich doch verkleiden, statt ein Double zu haben.

-Wie denn verkleiden?

-Na, mit'nem langen Bart und ner gelben Öljacke und so.

-Ja stimmt. Is doof mit dem Double. Und daß er dann auch noch immer mitkommt.

-Na, wenn er sein Double alleine schicken würde, hätte er ja nichts vom Kindergucken.

-Der Minister Streifchen ist ganz schön blöd.

-Und das Double erstmal!

aus: Max Goldt, Ungeduscht, Geduzt und Ausgebuht, a-verbal -Verlag, Berlin '88, 140 S., 19,80 Mark

Eine echte Besprechung von Max Goldts Lesung im Kairo steht morgen in der taz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen