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Geduldsprobe Freies Theater -betr.: "Der Tanker schwimmt wieder", taz vom 24.3. und Leserbrief dazu von Klaus Pierwoß vom 28.3.1995

Betr.: „Der Tanker schwimmt wieder“, taz vom 24.3. und Leserbrief dazu von Klaus Pierwoß vom 28.3.

Da hat Klaus Pierwoß recht: Ohne die dankenswerte „alltägliche“ (und nicht selbstverständliche) Hilfe und Unterstützung der Abteilungen und Mitarbeiter des großen Bremer Theaters würde es das kleine Junge Theater vielleicht gar nicht geben. Nicht dem Goethetheater ist es anzulasten, wenn es in der Freien Szene an allen Ecken und Kanten hakt und eiert:

Die vom Bremer Theater angebotenen und von den „Freien“ nicht genutzten zehn Spielwochen im Concordia machen besonders deutlich, warum diese Regelung ein autonomes und künstlerisch geführtes freies Theaterhaus genausowenig ersetzen kann, wie halbherzige und notdürftige Fördermechanismen (1994 ein Kinder- und Jugendtheaterpreis von einigen tausend Mark, 1995 eine unausgeglichene Spielstättenförderung): Solange diese Unterfangen praxisfern und unprofessionell in Regie des behördlichen Theaterreferates organisiert werden, werden mittel- oder längerfristige Spielplan- und Produktionskonzeptionen genauso unmöglich bleiben wie eine effektive Raumnutzung oder gar die endlos beschworenen „Kooperationen“. Was bleibt, sind zufällig freie Räume in Spielplanlöchern, immer wieder uneffektive Antragsverfahren, mal eine mehr oder weniger geglückte Koproduktion, immer mehr frustrierter Neid und irrationales Mißtrauen in der Szene. Fragt sich, wer dieses Feld demnächst erobern wird: Kommerzielle Veranstalter, Agenturen und Sponsoren stehen in den Startlöchern.

Wenn Pierwoß zitiert, die am Bremer Theater eingesparten zwei Millionen Mark kämen „den Freien Gruppen der Stadt“ zugute, macht das deutlich: In der Bremer Theaterlandschaft der Kultursenatorin sitzt alles, was nicht „städtisch“ ist, gemeinsam im Boot der „Freien“. – Eine Unterscheidung von kommerziellen und Off-Theatern, von wirtschaftlich arbeitenden Veranstaltern, sozialarbeitenden Theatergruppen, künstlerisch ambitionierten Projekten und raumlosen Solokünstlern existiert nicht – so groß ist das Interesse an den „Freien“.

„Zwei Millionen“ klingen doch gut! Schlimm, daß davon in der Szene so wenig zu spüren ist. Davon könnte sich ein „Freier“ Concordia-Betrieb doch finanzieren lassen! Oder anderes Gutes tun: warum nur wandert die innovative Theaterszene Stück für Stück aus Bremen ab – angesichts dieses Geldsegens für die „Freien“?

Das Junge Theater hat mit 50.000,- DM den Fuß (oder besser: einen einzigen schmerzenden Zeh!) in der Tür der institutionellen Anerkennung und Spielstättenförderung. Dafür mußte das Freiraumtheater schließen. Das Schnürschuhtheater hat eine niegelnagelneue Spielstätte. Die Shakespeare Company ist subventionsmäßig ein wenig abgesichert. Dafür touren die Solokünstler mit Soloprogrammen durch Museen und Hotels.

Aktive Theaterförderung muß Vertrauen in Entwicklung haben und Mut zum Risiko. Theaterpolitik in Bremen bedeutet: Sozialhilfe, Zahlenspiel, Geduldsprobe. „Freies“ Theater: Ansichtssache, mehr nicht. Carsten Werner

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