■ Endlich satt: Gedenk-Mahl
„Mütter der Welt, sagt nein!“ - nur vom Band kam das Horse-d'oeuvre, das der leider gerade in Hongkong weilende Uwe Friedrichsen zur Begrüßung servierte. Das „Phantom der Oper“ genoß seinen Ruhetag, als sich über 1000 HamburgerInnen in der Neuen Flora trafen, um sich an der Erinnerung schwerer Zeiten zu sättigen und den Jahrestagen des Feuersturms auch angenehmere Seiten abzugewinnen.
Für magere 55 bis 95 Mark gab's als ersten Gang die Weltpremiere des Dokumentarfilms „St. Nikolai - Eine Kirche erzählt ihre Geschichte“, danach wurden Texte, die betroffen machen, aufgetischt. Mitglieder des Stella-Musical-Ensembles kredenzten Tafel-“Musik gegen den Krieg“ und am Ende des kulturbeflissenen Abends wurde dem beim vielen Erinnern entstandenen Hunger mit üppigen Buffets gehörig der Garaus gemacht. So sparten sich die Wohltäter über 40.000 Mark für den Erhalt der Nikolai-Ruine als Mahnmal und multikulturelles Begegnungszentrum vom Munde ab.
Bei der Charity-Gala aber genoß man die feinen Speisen getrost allein — auch die leckeren kleinen Patzer verdarben nicht den Appetit: Ivor Butterfas, Vorsitzender des Förderkreises „Rettet die Nikolai-Kirche“, warf Opfer und Täter in einen Topf, als er den Fleiß der Hamburger lobte, die nach dem „Holocaust aus der Luft“ ihr Städtchen wieder zu einem der Schönsten aufgebaut hätten. Volker Lechtenbrink garnierte Borcherts Werk dann mit reibeisendem Pathos, und Heidi Kabel dekorierte die Kultur-Häppchen mit einem arglosen Tritt in den Fettnapf: „Ich hätte auch gerne Borchert zitiert, aber das hat mir Volker vorweggenommen“, deshalb plauderte sie über ihre Begegnungen mit dem „feurigen jungen Mann“, der Borchert gewesen war, der aber damals einfach nicht dazu zu bewegen gewesen sei, den Mund zu halten — es war eben schon immer etwas schwerer, „Nein“ zu sagen — vor allem mit vollem Mund.
lui
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