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Gauck-Behörde: Sturm gegen Aktenschließung

Parteiübergreifende Initiative legt Thesenpapier vor/ Die Gemeinsame Verantwortung für die Geschichte wird betont/ Bohley: „Die Täter werden nervös“  ■ Aus Berlin Heide Platen

Eine parteiübergreifende Initiative aus Politik und Bürgerrechtsbewegung reagierte gestern vormittag in Berlin kurzfristig auf die zum Wochenende überbordende kontroverse Diskussion zur Schließung oder Offenhaltung der Stasi-Akten durch die Gauck-Behörde. Zahlreiche Vertreter der entgegengesetzten Positionen hatten sich zuvor in verschiedenen Medien eine wahre Argumentationsschlacht geliefert. Dabei wandte sich der Bundestagsabgeordnete Konrad Weiß (Bündnis 90/Grüne) ebenso gegen eine Streichung der Akteneinsicht wie Bundesinnenminister Seiters (CDU). Seiters verwies auf die „berechtigten Interessen der Betroffenen“ und darauf, daß ein solcher Schritt die „ehemaligen Stasi-Mitarbeiter und Begünstigten“ schütze. Weiß griff westdeutsche Politiker an, die für eine Schließung votierten, weil sie „Angst haben, selbst die Akten einzusehen, weil sie dann erfahren müßten, daß sie Leuten vertraut haben, die eben nicht vertrauenswürdig“ gewesen seien.

Das gestern in der Gauck-Behörde in der Mohrenstraße zusammengekommene Podium legte „Zehn Thesen zum Umgang mit der Vergangenheit“ vor und sprach sich einhellig gegen die Aktenschließung aus. Uwe Lehmann-Brauns (CDU) sagte, die Schließung werde „nicht zu einem gesellschaftlichen Frieden, nicht einmal zu einem faulen, führen“. Er verwies auf die geschichtliche Mitverantwortung, die auch die Bundesbürger für die Entwicklung der DDR zu tragen hätten, „frei von Druck, aber nicht unbeteiligt“.

Bärbel Bohley wollte die Gauck- Behörde „trotz aller Kritik“ ebenfalls nicht angetastet wissen. Die kontroverse Diskussion sei vor allem darauf zurückzuführen, „daß die Täter langsam nervös werden“. Der Berliner Abgeordnete Reinhard Schult (Bündnis 90) warnte davor, „Nebelbomben aufzusitzen“. Er mahnte ebenso zu Besonnenheit und Fairneß wie der Brandenburger CDU-Vorsitzende Ulf Fink und die SPD-Bundestagsabgeordnete Angelika Barbe. Sie sprachen sich dafür aus, Stasi-Mitarbeiter, die sich jetzt offenbarten, „nach einer gewissen Zeit wieder in die Gesellschaft einzugliedern“. Barbe: „Mir ist kein Fall bekannt, daß wir irgend jemandem den Kopf abgerissen haben.“ Andererseits sei es in der DDR „auch möglich gewesen, anständig zu leben“. Die Bevölkerung müsse heute aber den Eindruck haben, daß Leute, die jetzt wieder in „höheren Führungspositionen“ seien, „auch noch belohnt werden“. Die Tatsache, daß Ex-Offiziere des Ministeriums für Staatssicherheit derzeit von Medien als „Kronzeugen der Geschichte“ zitiert würden, nannte das Gremium, das sich auch weiterhin treffen will, schlicht „unappetitlich“.

Dem Thesenpapier, das auch die Zustimmung des CDU-Politikers Rainer Eppelmann habe, folgte die Forderung nach der schnellen Einrichtung eines Beirates und einer Enquete-Kommission. Eppelmann hatte sich in einem Interview im 'Spiegel‘ direkt an den brandenburgischen Ministerpräsidenten gewandt. Stolpe solle „offensiv“ seine Stasi-Kontakte offenlegen und nicht „immer nur scheibchenweise“.

Ex-Innenminister Michael Diestel (CDU) stellte inzwischen die Behauptung auf, daß „drei Viertel aller hauptamtlichen Mitarbeiter der Evangelischen Kirche in der DDR“ als Inoffizielle Mitarbeiter der Stasi geführt wurden. Dazu gehörten auch zwei amtierende Bischöfe. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) kündigte an, sie werde dies untersuchen lassen. Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte, Alfred Einwag, meldete sich am Wochenende zu Wort. Er verlangte einen besseren Schutz „dieser äußerst empfindlichen Unterlagen“.

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