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■ Gatt: Der „Kompromiß“ mit Frankreich in der EGEin Scheitern wäre keine Katastrophe

Mit dem jetzt vor allem in französischen Medien als „Kompromiß“ gefeierten Auftrag, den die Agrar-, Außen- und Wirtschaftsminister der EG in der Nacht zum Dienstag ihrem Handelskommissar erteilten, wurde der große Krach in bewährter EG-Manier lediglich bis zur nächsten Ministerrunde am 4. Oktober verschoben. Leon Brittan erhielt zwar nicht das Mandat zur „Neuverhandlung“ des zwischen Paris und den anderen elf EG-Hauptstädten umstrittenen „Blair-House“-Abkommens mit den USA. Doch wenn der EG-Kommissar am nächsten Montag Präsident Clintons Handelsbeauftragten Kantor trifft, soll er sich um „Neueinterpretationen“ bemühen, um „Erläuterungen“ durch die amerikanische Seite sowie um „Ergänzungen“ des Abkommens. Dehnbare Begriffe, an die in Frankreich natürlich die Erwartung substantieller Veränderungen geknüpft wird, ohne die Paris das Abkommen mit einem Veto zu Fall bringen will. Doch zu mehr als freundlichen Worten haben die USA überhaupt keinen Anlaß. Die im Blair- House-Abkommen festgelegte Reduzierung der in der EG gezahlten Agrarexport-Subventionen um ein Drittel im Laufe von sechs Jahren ist ohnehin bereits weit weniger, als Washington während der ersten sechs Jahre der 1986 gestarteten Uruguay-Runde gefordert hatte. Im übrigen würde ein erneutes Nachgeben der USA die Gatt-Runde keineswegs „retten“. Denn die vierzehn Staaten der agrarexportierenden Cairns-Gruppe um Australien, Kanada, Brasilien und Argentinien sowie zahlreiche Länder des Südens, die ein völliges Ende des Subventionsunwesens verlangen, würden eine Verwässerung des Blair-Haus-Abkommens keinesfalls akzeptieren.

Die Pariser Regierung aber wird stur bleiben. Denn hinter den Gatt-Positionen Premierminister Balladurs stehen inzwischen nicht nur die Bauernlobby, sondern 71 Prozent der französischen Bevölkerung. Immer wahrscheinlicher wird somit eine Wiederholung des Szenarios von Anfang Dezember 89, als der Abschluß der Uruguay-Runde in einer dramatischen Brüsseler Verhandlungswoche an der starren Haltung der EG in der Agrarfrage scheiterte. Die seitdem entwickelten Vorschläge grüner Parteien und alternativer Bauernverbände für eine Agrarpolitik, die den Bauern eine ausreichende Existenz sichert, ohne zugleich zur Überproduktion zu führen; die sehr viel ökologischer wäre als die heute betriebene Chemielandwirschaft und die letzten Endes die EG-Kassen weit weniger belasten würde als das derzeitige Subventionssystem – sie ist von den EG-Regierungen bislang sträflich mißachtet worden. Schon allein deshalb wäre ein erneutes Scheitern der Uruguay-Runde keineswegs so tragisch, wie jetzt vielerorts behauptet wird. Andreas Zumach, Genf

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