piwik no script img

„Gar nicht so schlecht, die Jungs“

Achtelfinale im UEFA-Pokal: Der HSV verliert das Hinspiel gegen die unterschätzten Olmützer mit 1:2  ■ Von Katrin Weber-Klüver

Hamburg (taz) — Dieser ganze Wettbewerb ist eine einzige Provokation für den Hamburger SV. Stolz hatte er sich für das europäische Geschäft qualifiziert — und dann kam eine Lospleite nach der anderen. Schließlich gilt — gesamteuropäisches Gehabe hin oder her — noch immer: Um Europa zu sehen, guckt man von Hamburg aus Richtung Westen. Drei Auslosungen lang mußte so zwangsläufig die Mutmaßung wachsen, die UEFA-Cup-Verantwortlichen hätten sich verschworen, dem norddeutschen Klub Nachhilfe in Sachen Horizonterweiterung zu geben: Erst Gornik Zabrze, dann CSKA Sofia und nun als Reifeprüfung in der dritten Runde SK Olomouc Sigma MK, die letzte im Lostopf verbliebene osteuropäische Kleinstadt, der Einfachheit halber auch Sigma Olmütz genannt.

Mit dem Gast aus der CSFR stellte sich für den HSV wieder das Problem, wie er Zuschauer ins Volksparkstadion locken sollte. Doch eigentlich war das Unterfangen für den Präsidenten auch nur ein Test für seine gerade vor Studenten verbreitete These: Auf absehbare Zeit, hatte der Unternehmer gesagt, werden Zuschauer gratis ins Stadion gelassen, um eine hübsche Kulisse fürs Fernsehen zu bilden. Und so bezahlte die ARD für die Übertragung des letzten UEFA-Cupspiels mit deutscher Beteiligung in den höheren sechsstelligen Bereichen, während man in der Stadt überall Tickets nachgeschmissen bekam. In Redaktionen lagen sie stapelweise, wurden auch im Paket verlost, ein Reisebüro hatte zum Dumpingpreis von 130.000 Mark 35.000 Tickets aufgekauft, und wer ins HSV-Kartencenter kam, bekam für zwei Mark eine Stehplatzkarte.

Der Kraftakt überzeugte nach Angaben des Stadionsprechers 23.000 Menschen, rund 12.000 Zuschauer lachten über diese Zahl sehr. Sofern sie nicht zur großen tschechischen Kolonie auf Haupttribüne und im Gästeblock zählten, hatten sie auch sonst viel Grund, Galgenhumor zu beweisen.

Es dauerte gerade einmal zehn Minuten, bis Sigma durch ein Tor des jungen Stürmers Pavel Hapal in Führung ging. Daß das kein Zufallstreffer sondern Resultat haushoher Überlegenheit war, anerkannte wenig später ein Hamburger: „Die sind gar nicht so schlecht, die Jungs.“ Was ungefähr so klang, als sage er: „Dürfen die überhaupt so gut spielen, sie sind doch nur aus Olmütz!“

Sie dominierten aber weiter und siegten 2:1, hätten auch 4:1 gewinnen können, wenn sie nur richtig gewollt hätten. HSV-Trainer Schock gratulierte später seinem Kollegen Karel Brückner zu einer „ganz großen Mannschaft“ und demontierte seine eigene Truppe als eine, in der man vergeblich nach „Persönlichkeiten“ suche.

„Wir haben keine großen Stars, nur eine starke Mannschaft“, antwortete der Sigma-Trainer, ohne sich in seinem zerfurchten Gesicht ein spöttisches Zucken zu erlauben. Natürlich weiß er selbst, wie überheblich unterschätzt sein Verein im Westen ist. Ein Verein, der den traditionsverliebten HSV sogar noch in Grund und Boden spielte, nachdem er seine großen Stars Sedlacek, Machala und Drulak sämtlichst in deutsche Bundesligen verkauft hat.

Doch anders als Gornik Zabrze, das kennenzulernen sich für den HSV doch lohnte, weil hernach der polnische Stürmer Richard Cyron erworben werden konnte, plant Olmütz nicht, sich als Billigmarkt anzubieten. „Unsere Spieler sind bei uns zufrieden“, grinste Brückner, „und unsere Vereinskasse ist voll.“ Keiner vom Kaliber eines Hapal wird also das Hamburger Publikum nächstens versöhnen können.

Und wie geht es im Cup weiter? Zwar gilt der HSV als ausgesprochen auswärtsstark, gewann auch die beiden Spiele in Polen und Bulgarien souverän, doch in Olmütz werden vier Stammspieler wegen roter beziehungsweise gelber Karten fehlen. „Wenn man in einer Lage ist wie wir, fehlt auch noch das Glück“, lamentierte Schock. Wahrscheinlich also wird sich der HSV am 10. Dezember aus dem Wettbewerb verabschieden, wahrscheinlich spielt Olmütz anschließend gegen Real Madrid. Wie gesagt: eine Provokation.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen