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Ganztagsschulen in NiedersachsenBildung ist kein Lohndumping-Bereich

Die rot-grüne Landesregierung hat die Bildung zu ihrer Chefsache erklärt. Doch jetzt will sie Pädagogen zu Dumpinglöhnen beschäftigen.

Nicht nur Hausaufgaben: Auch Sport und Workshops – wie hier in Ottbergen, wo man Streetdance lernt – können die Schüler Nachmittags wählen. Bild: dpa

BERLIN taz | Jens Walters Sohn besucht eine Grundschule im niedersächsischen Diemarden, die den Schülern auch nachmittags offen steht: Sie können dort nach dem Unterricht ihre Hausaufgaben machen, Theater spielen, basteln und werkeln. Wenn Walter seinen Sohn morgens zur Schule verabschiedet, dann ist er sich sicher, „dass mein Kind dort gut betreut und nicht nur verwahrt wird“.

Die Gemeinde Gleichen im Landkreis Göttingen betreibt vier solcher offenen Ganztagsschulen. Sie könnte damit Modell stehen für Niedersachsen, wo SPD und Grüne eine „Qualitätsoffensive Bildung“ und eine bessere Ausstattung der Ganztagsschulen versprochen haben. Doch jetzt droht sie zum Negativbeispiel zu werden.

Denn in Gleichen legte das Land Niedersachsen den pädagogischen Mitarbeiterinnen, die die Kinder am Nachmittag betreuen, im Sommer neue, deutlich schlechtere Verträge vor: Stunden wurden gestrichen, zum Teil wurden sie zu „Ungelernten“ herabgestuft.

„Es ging nicht mehr ums Betreuen, sondern ums Aufbewahren“, kritisiert die pädagogische Mitarbeiterin Ruth Paquet. Ihr drohen harte finanzielle Einbußen. Mit sieben anderen Kollegen weigerte sie sich deshalb, die Verträge zu unterzeichnen, und klagte gegen das Land.

Am vergangenen Dienstag gab ihnen das Arbeitsgericht Göttingen recht. Ein Präzedenzfall, der die rot-grüne Regierung in Bedrängnis bringt. „Überall melden sich jetzt Kollegen“, berichtet Schulbezirkspersonalrat Bernd Brombacher. Er meint, es gebe in ganz Niedersachen etwa 1.000 weitere Mitarbeiterinnen, die betroffen sein könnten.

Von vornherein nicht genügend Personal

Den Boden bereitet hat die Vorgängerregierung. FDP und CDU hatten vor einigen Jahren Ganztagsschulen eingeführt, ihnen allerdings kaum Personal, sondern lediglich etwas Geld zugestanden, mit dem sie ihre Nachmittagsangebote selbst organisieren sollten. Nach Auskunft des SPD-geführten Kultusministeriums arbeiten 1.200 der 1.600 Ganztagsschulen mit sogenannten Kooperationsmodellen – das heißt, die Schulen tun sich mit Vereinen zusammen, heuern Ein-Euro-Jobber an oder stellen Leute ein, die ein freiwilliges soziales Jahr absolvierten.

„Es gibt hier einen Wildwuchs an Beschäftigung“, stöhnt Hans-Georg Schwedhelm. Der Rechtsberater des Deutschen Gewerkschaftsbunds hat Paquet und ihre Kolleginnen vor Gericht vertreten und findet es grundsätzlich gut, dass die Landesregierung nun aufräumen und die Nachmittagsbetreuer selbst anstellen will. „Allerdings müsste die Regierung dafür mehr Geld rausrücken“, meint der Gewerkschafter.

In Gleichen hatte die Gemeinde rund 700.000 Euro pro Jahr aus der Gemeindekasse in die Ganztagsbetreuung gesteckt. Dabei kooperierte das Rathaus mit dem Verein Kinderhaus, bei dem Ruth Paquet und ihre Kollegen formal angestellt waren. Der Verein bezahlte die Mitarbeiter auch für Stunden, in denen sie Angebote vor- und nachbereiteten, sich mit der Schulleitung absprachen oder an pädagogischen Fortbildungen teilnahmen.

Diese Extrastunden wollte ihr neuer Arbeitgeber streichen und nur noch die reine Anwesenheit – zehn Stunden wöchentlich – entlohnen. Das monatliche Einkommen der alleinerziehenden Mutter Paquet wäre damit von 950 Euro brutto auf 700 Euro brutto geschrumpft.

Die Landesschulbehörde macht Druck

Als Paquet und ihre Kollegen dem ihre Zustimmung verweigerten, reagierte die Landesschulbehörde biestig. Mitarbeiter sollen bei den Schulen angerufen und gefordert haben: „Sorgen Sie dafür, dass die Mitarbeiterinnen zustimmen.“ Bis Oktober bekamen sie und ihre renitenten Kollegen gar kein Geld überwiesen. „Da wurde richtig Druck ausgeübt. Ich dachte vorher, so was gibt’s nur bei Amazon“, empört sich Paquet.

Das Arbeitsgericht hat jetzt entschieden, dass das Land ihr das bisherige Gehalt weiterzahlen muss. Die Urteilsbegründung folgt erst im Januar. Das Urteil mache Mut, meint Personalrat Bernd Brombacher. Für Ruth Paquet ist der Streit jedoch nicht ausgestanden: Bis heute hat die gelernte Landschaftsplanerin keinen Vertrag – und sie befürchtet, dass das Land Niedersachsen das Urteil anfechten wird.

Bis Ende Januar sollen niedersachsenweit alle Kooperationsverträge auslaufen. „Wenn sich das Land in jedem dieser Fälle so zickig anstellt, wird es eine Flut von Klagen geben“, warnt DGB-Mann Hans-Georg Schwedhelm.

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4 Kommentare

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  • B
    Blechstein

    Der Bürger ist für den Staat da und der Staat betrachtet den Bürger als Objekt der Ausbeutung.

  • G
    GehtEsNoch

    Da preisen sich die Grünen ewig

    als neue linke, ökologische

    Vernunftalternative und setzen dann aber das Machwerk aus Unterfinanzierung, Existenzangst, Hochverschuldung,

    Kinderfeindlichkeit und Familienfeindlichkeit weiter fort. Ich hätte mir extrem viel mehr erwartet.

    Aber SPD-regierte Länder sind eben halt bildungsmäßig immer hinten angestellt. Es wird

    halt wieder demütiges

    Wahlpack benötigt!

    Und ängstlich und verschlissen,

    unfähig ein Haus zu kaufen, geschweige denn eine Familie zu gründen, sollen sie sein, die Sch....deutschen! Es ist wirklich ein Elend!

  • N
    Nils

    Noch ein schönes Beispiel dafür, wie in Niedersachsen auch unter Rot-Grün Bildungspolitik betrieben wird. Nicht dass die CDU das je besser gemacht hat, ganz im Gegenteil, das macht dieser Artikel ja klar deutlich, aber Rot-Grün sind angetreten, es mal besser zu machen. Hier zeigt sich jedoch, dass nach den Lehrern nun auch andere am Bildungssystem beteiligte Arbeitnehmer auf gut Deutsch verarscht werden.

     

    Das ist Wählerbetrug. Wenn nur ein paar mehr Gesamtschulen zugelassen werden, sonst aber alles im System bleibt wie bisher, hat Rot-Grün schlichtweg auf ganzer bildungspolitischer Linie versagt. Dabei wurde das Arbeiten beispielsweise der Gymnasiallehrer aus ideologischer Verbohrtheit ohne Not verschlechtert und erschwert, ohne dabei auch nur irgendetwas besser gemacht zu haben.

  • R
    Rashiel

    Beschämend finde ich, wie das Land /Behörde mit seinen Mitarbeitern umgeht. Jede Firma / Gesellschaft in der "freien Wirtschaft" würde für "Überraschungsklauseln" im Arbeitsvertrag mindestens doch eine Abmahnung erhalten; aber das Land nicht. Auch ich ging in meine Naivität davon aus, dass ein Bundesland oder eine Behörde seinen Mitarbeitern / Beamten sicherlich nichts böses will und sich selbst an seine eigenen Vorschriften und Gesetzte hält.

    Einige Jahre später meine Ernüchterung. Ich kenne viele Angestellten in der Justiz, die nur 3-Monats-Verträge über Jahre hinweg bekommen, immer dann eine andere fadenscheinige Ausrede von wegen neuer Befristungsgrund, neues Projekt etc. Unsicherheiten von Justizangestellten werden Mutterschutz und Elternzeit - auch hier kenne ich viele Fälle, bei denen man den Mütter einen Änderungsvertrag untergeschoben hat.

    Ich kann jedem nur raten sich zu wehren und auf seine Rechte zu pochen; der "Staat" will, dass man sich an seine Regeln hält und versucht selbst diese Regeln aufzuweichen oder zu umgehen.