■ Bonn-apart: Ganz sicher nicht sicher
Wie SPD-Sozialpolitiker Rudolf Dressler gilt Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) vielen Besorgten als einer der wenigen letzten aufrechten Kämpfer gegen die Aufkündigung der Solidarität mit den Schwachen in Zeiten der Krise. Als „Haudegen des Sozialstaats“ feierte Die Zeit kürzlich den gelernten Werkzeugmacher und beschrieb einfühlsam, wie sich der Minister gegen eine Generation junger Egoisten wehren müsse. Beschäftigt allein mit der Jagd nach dem persönlichen Vorteil, sei dieser Nachwuchs gar bereit, den Generationenvertrag bei den Renten aufzukündigen.
Ein Wortführer der so geschmähten jungen Rentenkritiker trat gestern in Bonn vor die Presse: Klaus Escher, Chef der Jungen Union und Meister der vorsichtig kalkulierten Provokation gegen die eigene Parteihierarchie, hatte für seinen Auftritt einen gewichtigen Verbündeten gewonnen: Der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf predigt seit Jahren für ein neues System der Altersvorsorge.
JU-Chef Escher sprach gestern zwar nicht explizit von einer Rentenlüge, warf den Sozialpolitikern seiner Partei aber vor, sie gingen „nicht aufrichtig“ mit den Jungen um, wenn sie ständig versicherten: „Die Rente ist sicher.“ Der prominenteste Verkünder dieser Formel sitzt bekanntlich im Kanzleramt.
Für Escher und Biedenkopf dagegen steht fest: Für die Jungen ist die Rente ganz sicher nicht sicher – zumindest, wenn alles so bleibt, wie es heute geregelt ist. Da zahlen nämlich immer weniger arbeitende junge Menschen für immer mehr Ältere, da wird die Altervorsorge über die Arbeit finanziert, während durch Automatisierung von Produktion immer mehr Arbeitsplätze abgebaut werden. Die Folge: Immer mehr Rentenlast liegt auf immer weniger Arbeitsstunden.
Zu Rücktrittsforderungen an Blüms Adresse wollte Escher sich gestern nicht treiben lassen – er verlangte eine breite Diskussion („Außerdem würde er ohnehin nicht auf mich hören“). Chef der geplanten Kommission zur Rentenfrage dürfe Blüm aber nicht werden: „Ein Bremser taugt nicht als Steuermann.“
Die Zeiten für den Nachwuchs der Union haben sich eben grundlegend geändert. Früher galt die Linke als gefürchteter Gegner. Heute stehen die wirklich beinharten Opponenten offenbar vor allem im eigenen Lager. „Wir diskutieren“, so klagte Escher, „gegen einen ideologisierten Gegner an.“ Hans Monath
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