Schmerzliches Kapitel: Ganz mühsame Rechtsfindung
■ Schmerzensgeld für Polizeischläge? Zivilprozess im Schneckentempo
Schuldet Bremen einem Mann Schmerzensgeld, dem Polizisten auf der Wache die Knochen gebrochen haben? Die richterliche Antwort auf diese Frage lässt weiter auf sich warten – vier Jahre nach dem Ereignis, dessen Anlass alltäglich war: Der Kläger, ein knapp 50-Jähriger mit heftiger Angst vor Spritzen, wollte bei der Blutabnahme für den Alkoholtest seinen Sohn dabei haben. Bis der allerdings zum Vater gelassen wurde, lag dieser schon verletzt am Boden. Der Sohn alarmierte den Krankenwagen. Die Ärzte diagnostizierten Prellungen, einen Beckenbruch und kaputte Rippen.
Seit Prozessbeginn im Oktober ist das Zivilverfahren, das der Geschädigte angestrengt hat, nur im Schneckentempo vorangekrochen. Auch gestern war nach 30 Minuten Verhandlungsdauer wieder Schluss: Der erste Zeuge, ein Polizist, konnte sich an die Ereignisse in der damaligen Wache Sandstraße nicht mehr richtig erinnern. Der zweite, damals für die Polizei als Arzt tätig, war der Einladung des Landgerichts erst gar nicht gefolgt. 250 Euro soll er jetzt fürs Schwänzen zahlen. Das Gericht wartet auf seine Aussagen, zumal der Arzt von der erstermittelnden Innenrevision der Polizei als Zeuge offenbar nie vernommen wurde.
Wegen äußerst zäher Ermittlungen läuft das Verfahren immer noch: Zuerst war die Innenrevision am Werk. Anschließend hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt. Die damals beteiligten vier Beamten sind auch jetzt noch im Polizeidienst. Aufgrund widersprüchlicher Zeugenaussagen konnte die Täterschaft nicht eindeutig geklärt werden. Dafür war der gestrige Prozesstag mit einem vergesslichen und einem abwesenden Zeugen wieder symptomatisch. Die Zivilklage ist jetzt die letzte Chance des Opfers zu Recht zu kommen.
Dabei geht es in diesem Verfahren nicht nur um geforderte 25.000 Mark Schmerzensgeld, oder um die Frage, wer für die beträchtlichen ärztlichen Behandlungskosten des Opfers aufkommt. Der Mittvierziger geht am Stock. Nach dem Vorfall musste er den Arbeitsplatz wechseln. Spannend ist auch, ob erklärte Opfer von Polizeiübergriffen wenigstens bei einer Zivilklage vor Gericht die Chance auf Entschädigung haben. Denn immer wieder werden strafrechtliche Ermittlungen – wie im Fall des zusammengeschlagenen Tim Koehne – eingestellt, weil es in der Regel an außenstehenden Zeugen fehlt. ede
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