: Ganz Brandenburg ein einziger Golfplatz?
■ Im Havelland bei Werder soll der größte Abenteuerpark der Bundesrepublik entstehen/ Ehemaliger LPG-Chef und jetziger Treuhandleiter bereitet den Weg für diesen Plan/ Bauern wurden mit einem Spottpreis für ihr Land abgespeist
Werder. Mit einer Kulturaktion besonderer Art bedachte eine Gruppe von Künstlern und Ökologen das baumblühende Havelland im Groß- Kreutz bei Werder. Eine Allee gerodeter und mit ihren Kronen in die Erde gesetzter Apfelbäume säumt vor frisch gerodeten Obstplantagen die Landstraße.
Hier soll demnächst der größte Freizeit- und Abenteuerpark der Bundesrepublik entstehen. Auf einer Fläche von 104 Hektar wird ein Firmenkonsortium, bekannt durch einige größere Freizeit- und Vergnügungsparks im Süden der Bundesrepublik, diesen gigantischen Abenteuerpark errichten. Die Verträge über Kauf, Nutzung und Wasserrecht sind perfekt. 35 Hektar Parkfläche für PKWs und Busse, zwei Autobahnauf- und Abfahrten sowie eine Reihe von Zubringer- und Umgehungsstraßen sind inbegriffen. 20.000 Besucher pro Tag soll der „Park“ aufnehmen können.
Mit bitterer Ironie konstatierten die LPG-Angehörigen, daß dieser Plan von langer Hand durch den ehemaligen LPG-Vorsitzenden von Groß-Kreutz vorbereitet und betrieben worden ist, der heute der Treuhand-Regionalverwaltung Brandenburg vorsteht. LPG-Angehörige berichteten, daß die LPG-Bauern mit einem Spottpreis für ihren Boden entschädigt worden sind. Hier seien sie sogar noch wegen der geplanten Baumrodung gefragt worden, während in der benachbarten Ost-LPG Glindow diese Entscheidungen allein vom Vorsitzenden getroffen wurden. 3.500 bis 4.000 Hektar Obstbäume wurden bisher gerodet, versicherten anwesende Genossenschaftsbauern. Einige LPGs hätten 8.200 Mark Rodungsprämie von der EG bekommen, die allerdings zum Teil an Westfirmen geflossen seien, da diese mit der Rodung beauftragt worden wären.
Alternative Zukunftskonzepte für die LPGs — außer den Abenteuerparks und Golfplätzen — sind oftmals nicht in Sicht. Geld für Neupflanzungen ist kaum vorhanden. Getreideanbau lohnt sich auf den leichten Böden nicht, Viehzucht ist angesichts quotenregulierter Milchmärkte und Fleischüberproduktion aussichtlos. Viele Flächen werden in offener Brache bleiben, und dem märkischen Sand wird es nicht anders gehen als den Menschen, die sich dergestalt ihrer eigenen Zukunft entsorgen, sie werden auf Wanderschaft gehen.
Den ökonomisch und politisch motivierten Verzweiflungstaten wie der Obstbaumrodung entspringt auch das lancierte Interesse, havelländische Marktanteile in der Obst- und Saftproduktion vorab abzugeben. Hieß es im letzten Jahr noch, das havelländische Obst sei nicht absetzbar, so gab es in diesem Frühjahr Vertragsangebote von Handels- und Verarbeitungsbetrieben, die aufgrund der reduzierten Obstanbauflächen nicht mehr abgeschlossen werden konnten.
Privat weitermachen möchte hier fast niemand, kaum ein Eigentümer kann und will sich als „bäuerlich mittelständischer Betrieb“ etablieren; dazu fehlt es an Ausbildung und vor allem an Kapital. Da sich die LPGs vielfach auflösen, behandeln die Privateigentümer ihren Ackerboden nur als Spekulations- und Verkaufsobjekt. Maklerfirmen kaufen gezielt Ackerland, um mit den gehorteten Ackerflächen die Gemeinden und Kreise unter Druck setzen zu können. Die sind nämlich zustimmungspflichtig bei der Umwidmung von Flächennutzungsplänen. Zur Realisierung ihrer diversen Schubladenprojekte werden von Firmen aber gewerblich oder baulich nutzbare Flächen gesucht. So wird dann unversehens aus dem Ackerland Gewerbegebiet, und falls sich da keine geeigneten Betriebe finden, werden eben Bauanträge für Feriensiedlung und Einfamilienhäuser gestellt. Demokratische Kontrollen sind völlig unterentwickelt, und Verwaltungen wie die Kommunalaufsicht befinden sich im Aufbau und stehen dem „Altfilz“ und der Goldgräbermentalität hilflos gegenüber. So sind denn allein im Land Brandenburg rund 50 Golfplätze geplant oder beantragt. Peter Held
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