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Gammel in der Kühltruhe

■ Fleischskandal: Fünf Monate danach noch immer verdorbene Waren im Supermarkt Von Marco Carini

Ein Skandal ohne Konsequenzen. Als die Hamburger Verbraucherzentrale im September 1993 aufdeckte, daß in den Kühltruhen der Supermarktketten massenweise verdorbenes Fleisch angeboten wurde, gelobten sie alle Besserung: Handelsketten, Kontrollbehörden und Fleischwirtschaft wollten dafür sorgen, daß es in Zukunft keinen Gammel aus der Truhe mehr zu kaufen gibt. Doch die Versprechen waren wohl eher Versprecher.

Eine in Hamburg durchgeführte Nachuntersuchung der Verbraucherzentrale bringt es ans Licht: An der Tiefkühlware ist auch heute noch was faul. 47 gezielt gezogene Fleischproben wurden im Ahrensburger Lefo-Institut untersucht. 43 von ihnen wiesen Mängel auf, die es laut Lebensmittel- und Hygienegesetz gar nicht geben kann.

Großflächiger Gefrierbrand hatte 24 der Fleischproben um ihre Genießbarkeit gebracht, einige Millionen Keime zuviel wimmelten auf elf der untersuchten Fleisch- und Geflügelhäppchen. Genauer, so scheint es, werden mittlerweile allenfalls die Haltbarkeitsdaten beachtet. Lag bei der September-Untersuchung ein Hirschgulasch schon mal ein halbes Jahr zu lang in der Truhe, fanden sich diesmal nur zwei Proben, deren Verfallsdatum gerade abgelaufen war.

24 Supermarktfilialen inspizierte die Verbraucherorganisation. Auch wenn ihre Untersuchung „keinen repräsentativen Anspruch“ erhebt, so zeigten sich doch deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Lebensmittelketten. Besonders negativ fielen die Kaufhof-Filialen am Jungfernstieg und in Altona auf. Gleich sechsmal wurde die Verbraucher-Zentrale hier fündig. So wies ein in der Altonaer Filiale erstandenes Perlhuhn mit 133 Millionen Keimen pro Gramm den Spitzenwert aller Proben auf. Als gerade noch vertretbar gelten 5 bis 10 Millionen Keime. Konzession an den Kunden: Das Gammelhuhn war im Preis reduziert.

Im gleichen Supermarkt fehlte gleich auf zwei Geflügelstücken das Mindesthaltbarkeitsdatum: beide Proben wiesen erhöhte Keimzahlen auf. Doch auch Haltbarkeitsdaten helfen wenig, wenn Tiefkühlkost nicht tiefgekühlt ist. Die Lebensmittelmärkte „Eurospar“ in der Osterfeldstraße und „Skay“ in der Eiffestraße boten aufgetaute Ware an. „Offenbar“, so die Verbraucherzentrale, hatten beide Filialen „die Tiefkühltruhen über Nacht ausgeschaltet“.

„Im Prinzip hat sich seit September nichts geändert“, resümiert Bernhard Rosenkranz von der Verbraucherzentrale die Ergebnisse der Nachuntersuchung. Und fordert: „Hamburg muß stärker kontrollieren, die Bußgelder erhöhen und die Namen der Märkte nennen, in denen die 80 Kontrolleure besonders häufig verdorbene Ware finden“. Mehr Kontrollen? Hans Joachim Breetz von der Gesundheitsbehörde ist da skeptisch: „Auch bei einer totalen Überwachung wird es wohl immer solche Fälle geben“. Deshalb hat er nur einen Tip an den Verbraucher: „Kaufen sie mit wachem Auge“.

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