Gaming: Sony schwächelt im Konsolen-Kampf
Das Geschäft mit Videospielen wird wieder hart umkämpft: Nintendos technisch schwache Wii hat Microsoft unerwartet abgehängt - Sony hinkt hinterher.
BERLIN taz Sonys Computerentertainment-Boss Kazuo Hirai hatte am Donnerstag einen schlechten Tag. Auf der "Tokyo Game Show" im japanischen Chiba musste er vor der versammelten Weltpresse verkünden, dass Sonys lange angekündigte virtuelle Welt namens "Home" erst später gestartet werden kann - wegen technischer Probleme.
"Home" sollte den Besitzern von Sonys Spielekonsole Playstation 3 (PS3) über das Internet ganz neue Spielerlebnisse ermöglichen - in Form einer Art Turbo-"Second Life". Im Gegensatz zu jener hinlänglich bekannten PC-Version einer virtuellen Erde sollte "Home" über eine deutlich bessere Grafik und ein realistischeres Nutzungsverhalten verfügen: "Sie werden in Home richtiggehend eintauchen können", hieß es bei der Vorstellung der Software im Frühjahr 2007.
Nun muss Sony das Projekt also verschieben - auf Anfang nächsten Jahres, obwohl man doch eigentlich schon im Herbst bereits starten und damit den Verkauf der PS3 deutlich ankurbeln wollte. Auch sonst wirkte Hirai bei seiner Präsentation in Tokio laut Anwesenden gestresst: Mehrfach entschuldigte er sich für die bislang nur schleppenden Verkaufszahlen der lange erwarteten neuen Sony-Konsole.
Der Ärger bei Sony ist nur ein Beispiel dafür, dass im Videospielemarkt wieder mit harten Bandagen gekämpft wird. Alle drei wichtigen Hersteller - neben Sony also noch Microsoft (Xbox 360) und Nintendo (Wii) - haben inzwischen "Next Generation"-Geräte auf dem Markt und beharken sich im Wettstreit um Marktanteile mit immer neuen Spieleideen und Gadgets.
Die neueste Entwicklung überraschte sogar langjährige Branchenkenner: Nintendo ist mit seiner technisch vergleichsweise schwachen Wii die Rückkehr an die Weltmarktführerspitze geglückt. Laut zusammengerechneten Zahlen von NPD Group, GfK und Enterbrain konnte der traditionsreiche Spielehersteller seit Verkaufsstart 9 Millionen Konsolen verkaufen - und lag damit trotz wesentlich späterem Markteintritt bereits vor Microsofts Xbox 360 (8,9 Millionen Gesamtabsatz). Sonys mehrfach verschobene PS3, die als letzter in dem Trio auf den Markt kam, kam nur auf 3,7 Millionen Einheiten.
Nintendo kam vor allem deshalb an die Weltspitze, weil die Firma clevere Zusatzeigenschaften in seine Konsole eingebaut hat. Mit "Wiimote", "Nunchuk" und einer Empfangsleiste auf dem Fernseher kann das Gerät Bewegungen registrieren - der Spieler sitzt nicht mehr passiv auf seinem Sessel wie bei der Konkurrenz (Sonys PS3 misst immerhin, wenn man den Kontroller dreht). Die Wii besitzt keine Grafik in HD-Qualität, was sowohl Xbox 360 als auch PS3 beherrschen - doch scheint das die Nutzer nicht weiter zu stören. Auch der Einbau eines Laufwerks für hochauflösende Videofilme nach dem Blu-Ray-Standard sorgte nicht dafür, das Sonys PS3 gleich ein Verkaufsschlager wurde.
Microsoft, noch vom knappen Verlust der Marktführerschaft geschockt, übt sich unterdessen in Optimierungs- und Marketingmaßnahmen. Die Xbox 360 wurde intern überarbeitet, wird mit mehr Festplattenspeicher angeboten. Einer fast skandalträchtig hohen Zahl von ausgefallenen Geräten (sie soll bei 30 Prozent liegen) kam der Softwarekonzern bei, in dem er die interne Belüftung veränderte. Eine entsprechende Umtauschaktion forderte finanzielle Rückstellungen von einer Milliarde Dollar, dabei macht Microsoft sowieso mit Geräten noch Verluste, verdient vor allem an der Software.
In Sachen Spiele bleibt die Branche altbacken bis innovativ. Baller- und Kriegsspiele werden grafisch weiter perfektioniert, im nächsten Jahr soll etwa der Skandalhit "GTA 4" für PS3 und Xbox 360 erscheinen. Microsoft arbeitet an einer Fortsetzung der Weltraumsaga "Halo", die noch diesen Monat erscheinen soll - inklusive einer extra dafür umlackierten Konsole. Bei Sony wartet man immer noch auf "Little Big Planet", ein lustiges und innovatives "Jump & Run"-Spiel mit interaktiven Online-Komponenten (Erscheinungstermin: Anfang 2008). Nintendo erfüllt unterdessen "Star Wars"-Fans einen langgehegten Wunsch: Sie dürfen, hieß es auf der "Tokyo Game Show", bald mit der Wiimote ein Lichtschwert steuern.
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