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Gadiny - Scheusale

■ Ein Film von Christian Klemke und Sonja Zallmann

Die DEFA ist am Ende. Das DEFA—Dokumentarfilmstudio auch, zumindest finanziell. Natürlich kümmert das nur die dort Angestellten und ein paar starrköpfige Enthusiasten, sonst sicherlich niemanden. Spätestens nach dem Tod des berühmt— berüchtigten »Augenzeugen« merkte kaum noch ein Kinobesucher etwas von der Existenz dieses Betriebes.

Abgesehen davon, daß ein Teil der hier Beschäftigten sowieso nur Hofberichterstattung betrieb - Filme, die innerhalb der nächsten Jahre mit Sicherheit Kultstatus erreichen und als VHS—Kassetten verkauft werden könnten - und andere Produktionen so beliebig waren, daß sie sich in nichts vom damals gängigen Fernsehmist unterschieden, verwendeten die paar wirklich guten Regisseure und Dramaturgen einen Großteil ihrer Arbeitszeit darauf, zu genehmigende Szenarien so geschickt zu formulieren, daß die Oberen nicht merkten, wovon der jeweilige Film EIGENTLICH handeln sollte. War diese erste Hürde genommen und auch die meist erst Monate später folgenden Dreharbeiten abgeschlossen, gab der Studiodirektor sein fundiertes Urteil ab, das sich in etwa zwischen »Hübsche Unterhaltung. Das hatten wir lange nicht mehr.» und »Ich verstehe das nicht. Ich glaube, unser Volk versteht das auch nicht.« bewegte. Natürlich gab er ein paar kollegiale Ratschläge, was die Damen und Herren Künstler eventuell noch ein bißchen ändern könnten.

Gleiches taten dann - weniger kollegial - die Angestellten der »Hauptverwaltung Film«. Das somit verstümmelte Werk wurde vom »PROGRESS« Verleih gekauft und verschwand entweder für immer im Archiv oder erschien im Vorprogramm des neuesten mongolischen Krimis im Kino. Was noch lange nicht hieß, daß die Filmtheaterdirektoren ihn dann auch wirklich zeigen ließen. Die gingen davon aus, daß ihr Publikum sowas sowieso nicht sehen wolle und hatten scheinbar nicht mal Unrecht. Das für‘s intellektuelle Völkchen gedachte Dokfilmprogramm des »Babylon« sorgte nicht gerade für volle Kassen. Gegenbeweise wie einen mittlerweile totgequälten hier nicht namentlich genannt sein wollenden Misselwitz— Film gab es höchst selten.

Genaugenommen war die Arbeit der Zensoren also sinnlos. Doch da sie sich selbstverständlich für unentbehrlich hielten, zwangen sie so die »künstlerischen Mitarbeiter« zum Ersinnen immer neuer Tricks, um ihre Zwanzig—Minuten—Werke möglichst unverschnitten fertigstellen zu können. Die damals sensationelle Offenheit sowjetischer Filmproduktionen war die wohl stärkste Motivation für das Häuflein Aufrechter im Kleinkrieg gegen »Progress«, die »HV« und Kutte Hagers vereinigte Heerscharen. (Frage: Wer erinnert sich noch an den aus zwei damals bekannten Vokabeln bestehenden Schlachtruf der Todesmutigen?)

Eine deutsch—sowjetische Koproduktion schien damals dem ausgesprochen russophilen Regisseur Christian Klemke der geeignete Weg zu sein, die Spuren der unter Stalin ermordeten Mitglieder der legendären deutschen Agitprop—Gruppe »Kolonne Links« verfolgen zu können. Abgesehen von den erwarteten inhaltlichen Schwierigkeiten sorgten auch diverse Querelen in der Sowjetunion für großen Ärger. Sich im Laufe der Recherchen nötig machende konzeptionelle Änderungen taten ein übriges, die Fertigstellung des Films zu verschieben.

Nu isser da, aber keiner will ihn mehr haben. Das Thema Stalinismus wurde auf den sehr intelligenten Modebegriff »Stasiseilschaften« zurechtgeschrumpft, für die Pervertierung sozialistischer Ideale interessiert sich‘s Volk deshalb nicht mehr, weil's Volk »sozialistisch« mit »pervers« gleichsetzt, daß der Film bisher keinen Verleih fand, ist eigentlich nur folgerichtig. Natürlich ist das ein Problem, das nicht nur die Macher von »Gadiny« betrifft. Die Versuche mancher Regisseure, sich die Rechte der von ihnen gedrehten Filme zu beschaffen und dann selbst auf die Suche nach einem Verleiher zu gehen, scheiterten regelmäßig, ob nun an der Inkompetenz der »Progress«—Angestellten oder am Starrsinn einiger Mitglieder der DEFA—Geschäftsführung oder an wem auch immer.

Nun ja, die ehemals vielgerühmte deutsch—sowjetische Freundschaft hilft uns endlich mal weiter. Der Film läuft einmalig am Samstag im Haus der sowjetischen Kultur und Wissenschfaften. Wer will, soll hin. Ich will, daß viele wollen.

Holga Jancke

16.00UhrimebenerwähntenHause

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