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GEGENVERKEHR

■ Eine Diskussion über kulturelle Zusammenarbeit im Haus der Kulturen der Welt

Schon vor zehn Jahren warnte Herbert Schiller, ein führender Kritiker in Sachen kultureller Austausch und Kommunikation, davor, daß die von den Befreiungsbewegungen erkämpfte politische Unabhängigkeit trügerisch sei, weil sie noch immer von dem Weltbild der früheren Machthaber geprägt sei. Die Verhältnisse haben sich seitdem kaum verändert, und Kulturpolitiker tun auch heute noch so, als wüßten sie nicht, daß auch Kultur als Werkzeug der Ausbeutung benutzt wird. Von ihrer imperialen Kulturarroganz mal ganz abgesehen.

Am Dienstag versuchte eine Podiumsdiskussion im Haus der Kulturen der Welt sich an das Thema Politische Bedeutung kultureller Zusammenarbeit heranzutasten. Eine wahrhaft herkulische Aufgabe angesichts von sechs Diskutanten - alle übrigens nicht unbedeutende Persönlichkeiten im kulturellen Leben ihrer Länder - und einem zeitlichen Rahmen von lächerlichen zwei Stunden. Small talk?

Auf dem Podium: Paul Nakitare, Kulturdirektor im Ministerium für Kultur und soziale Angelegenheiten Kenyas, Ami Priyono, Direktor am Art Institute von Jakarta, und Darcy Ribeiro, Autor, Wissenschaftler und Politiker (er war Gouverneur von Rio de Janeiro). Auf der Gastgeberseite: Peter Schumann, Filmemacher und Journalist, Markus Schindlbeck, Kustos des Völkerkundemuseums, und Günter Cönen, Leiter des Weltkulturenhauses.

Moderator Michael Hase gab die Richtung an: „Einbahnstraße kulturelle Zusammenarbeit“. Unglücklicherweise ging dieser Faden hin und wieder gänzlich verloren. Aber einen Eindruck von der Einseitigkeit des kulturellen Austausches zwischen Nord und Süd bekam das Publikum doch. Ribeiro, in Deutschland auch als Autor bekannt, fing noch mal ganz von vorne an und beklagte sich über die skandalöse Darstellung seines Volkes: Er wies auf die Menschenfresser und Kopfjäger hin, die der sensationslüsterne Europäer gerne in seinen Museen sieht. Ganz abgesehen von der Anhäufung von Kulturgütern der Dritten Welt in Industrieländern. Seiner Vorstellung von einem echten Kulturaustausch käme es dagegen näher, wenn eine 3.000köpfige „Escola de Samba“ im Olympiastadion auftreten würde. Also quasi 3.000 Sambaköpfe für 3.000 Schrumpfköpfe im Gegenverkehr!

Davon unbeeindruckt insistierte Cönen selbstverständlich darauf, beim Thema Kultur dürfe man nicht von einer Ersten und einer Dritten Welt sprechen, sondern selbstverständlich von der Gleichberechtigung der Völker. Diesem Gedanken sei sein Haus verpflichtet. Priyono hob das Thema auf eine andere Ebene. Von kulturellem Austausch, wenn er denn stattfinde, so meinte er, profitiere nur die Elite, nicht aber das Volk. Und das Verrückte war, daß der Erstweltvertreter Schumann den Optimismus einiger Drittweltdiskutanten dämpfen mußte, die von einer gleichberechtigten kulturellen Zusammenarbeit träumten. „Der Kapitalismus ist viel grausamer, als manche denken“, sagte der Kapitalismusbewohner, der es wissen mußte.

Valdez/Schütz

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