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GEBRABBEL

■ „Postmodern talking“ im Werkbund-Archiv

Zitate der Theoretiker und Klassiker der Postmoderne, Überlegungen der Ausstellungsmacher, Gedankenfetzen, Angebote an jeden Ausstellungsbesucher zum Grübeln sind mit der Hand als flüchtige Notizen auf die Sockel der Objekte geschrieben: In der Zeit der medialen Abrufbarkeit von Informationen scheint die Handschrift wieder zum Garanten der wirklichen Auseinandersetzung mit einem Thema zu werden. Die Notizen sind in die Ausstellung gestreut ohne Kennzeichnung der Herkunft: Gedanken als allgemeines Eigentum.

Der Postmoderne nähert man sich als Ausstellungsmacher und Feuilletonist am besten nicht mit allzugroßem Ernst, dieweil einem sonst unter Umständen Ungereimtheiten der eigenen Tätigkeit zu gemein aufstoßen. (Das mykenische Hellas, diverse Tanzensembles aus Europa und den USA, Filme aus Südamerika und der UdSSR, Kindertheater, Fotografien aus der amerikanischen Atomindustrie, Lesungen zum Prager Frühling, Postmodern talking - und dann über den Ausverkauf der kulturellen Vielfalt herziehen, ist vielleicht doch nicht so ganz glaubhaft.) Man möchte sich ungern selbst als Verkäufer jener Kultur entlarven, deren Ersatzfunktion sich so schön kritisch analysieren läßt: „Rationalisierung. Wenn die Fabrikhallen modernisiert werden, werden die Gänge der Arbeitsämter stickiger. Wer keine Arbeit hat, soll sich Freizeithemden kaufen. Die Kultur wird zur Ersatzhandlung. Soviel Kultur wie heute gab's noch nie im Angebot. Je rationeller die Gesellschaft wird, um so höher steigt die Selbstmordquote. Irgendetwas stimmt nicht. Was stimmt, das ist der Geschmack von Cornflakes mit leicht verstrahlter Milch.“ Dies als umfassender Kommentar zu einer Schachtel Cornflakes, auf deren Rückseite eine Werkshalle abgebildet ist, in der Roboter Volkswagen montieren. Mit Handschuhen und Mundschutz also stochert man am besten in postmoderner Kultur herum, zumal sich diese oft selbst wie ein Abfallhaufen ausgedienter Dekorationen und Reste vergangener Epochen gibt. In ihr werden die Gefälle zwischen hoher und niedriger Kultur ausgebügelt, die Inszenierung im Museum darf endlich ihre heimliche Liebe mit der Geisterbahn eingestehen; das ist ungefähr so demokratisch wie die Blendung einer Schloßfassade vor sozialem Wohnungsbau.

Ein Spielzeug-Roboter kriecht aus dem Profil einer gründerzeitlichen Säule: Detail einer Ruinenlandschaft, in der sich die Lust auf die unendliche Collage austoben konnte. Funde aus allen Erdzeitaltern und Kulturschichten, erhältlich im Spielzeugformat, wurden im riesigen Knobelbecher geschüttelt und ausgewürfelt: postmodern ist das Ergebnis allemal, meisten postkatastrophal, denn der Gedanke an die ständig bevorstehende Apokalypse gehört mit zu den liebsten. Es ist die Lust an der Respektlosigkeit vor den traditionellen Werten, das Erschrecken über den Mangel an eigenen Maßstäben und die Unfähigkeit, Kunst von Kommerz zu scheiden, die sich in den postmodernen Phänomenen ebenso wie in ihrer Kritik abreagiert.

Die Gießkanne als Froschkönig und der Kugelschreiber als Banane - hier dokumentiert die Kaufhaus-Kultur als Knalleffekt die Auflösung der Sichtbarkeit der Funktion. Profillos und austauschbar ist das Gesicht der vom Menschen geschaffenen Umgebung sowohl da gewworden, wo sich die funktionale Ästhetik als Einöde realisiert hat - denn sie sperrte sich nicht dagegen, den Menschen als zu verwaltendes Objekt einzuplanen - als auch dort, wo sich ein blinkendes Disneyland durchgesetzt hat. Der Streit, ob die Form der Funktion folgen solle oder nicht, um eine bessere Lebensqualität zu erreichen, gleicht dem um des Kaisers Bart, während eigentlich die Rolle des Kaisers abzuschaffen wäre. Zwischen der Beton- und der Plastikeinöde, die beide das Gefühl für die Realität auf kleiner Flamme ausdörren, entsteht die Sehnsucht nach dem Echten, repräsentiert in der Ausstellung durch ein lauschiges Eckchen mit Kuckucksuhr, geschnitzten Holzstühlen und einer Schüssel mit Nüssen. Die Wiedereroberung der Heimat im Knacken der Nußschalen ... so wird man selbst noch in seinen Eßgewohnheiten auf dem postmodernen Trip erwischt.

Katrin Bettina Müller

„Postmodern talking“ bis zum 15. August, Werkbund-Archiv im Martin-Gropius-Bau, Di-So 10-22 Uhr.

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