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GALische Tolerierung

„Nichts ist langweiliger, als eine Bürgerschaftsrede zu hören, mit der zum wiederholten Male die Litanei unserer Forderungen heruntergeleiert wird“, poltert der ehemalige GAL–Bürgerschaftsabgeordnete Kurt Edler im grünen „Mitgliederrundbrief“. „Die GAL weiß, daß die SPD nicht anbeißt; und viel wichtiger noch: die Öffentlichkeit weiß, daß die GAL das weiß“. Der Ex–Parlamentarier gehört zusammen mit Thea Bock und anderen zu einer Minderheit, die parteiintern als „neue Realos“ beschimpft werden. Es ist bezeichnend für die Hamburger GAL, die andere Wurzeln und eine andere politische Kultur als die Bundesgrünen hat, daß dort Mitglieder als „Realos“ gelten, die mitnichten für eine Koalition, sondern bloß - vergeblich - für eine andere Taktik bei möglichen Tolerierungsverhandlungen votieren. Koalition war noch nie ein Thema im Hamburger Landesverband, der sich immer noch als Bollwerk gegen die Realo–Fluten in der Gesamtpartei sieht. Allerdings liegt das auch sehr stark an der traditionell rechtslastigen SPD, die die Hansestadt 40 Jahre lang wie ein Königtum regierte. Die absolute Mehrheit verlor sie erst im Juni 1982 zum ersten Mal. Bürgermeister Dohnanyi bezeichnete die folgenden Gespräche mit der GAL damals zwar als „interessanteste Erfahrung in meinem politischen Leben“, dennoch ließ er sie ziemlich schnell platzen, um den „Schmidtleidseffekt“ (Thomas Ebermann) nach dem Sturz des sozialdemokratischen Kanzlers für Neuwahlen auszunutzen. Aus diesen Erfahrungen heraus ist klar: Die GAL will Tolerierungsverhandlungen, weil ihr nichts besseres einfällt, die SPD will sie nicht, weil ihr immer noch nur die CDU einfällt. Die Sozialdemokraten haben ihr „Arbeitsprogramm“ im Gepäck, das für die GAL, wegen seiner Orientierung auf unternehmerfreundliche Standortpolitik, inakzeptabel ist, und die Grünen haben aus zwölf Forderungen ein „Tolerierungspaket“ geschnürt, das die SPD nicht entgegennehmen mag. Sie trüge wohl auch schwer an diesem Päckchen, das die Mitgliederversammlung der Grünalternativen im August letzten Jahres zusammenstellte. Nicht ganz zufällig steht an erster Stelle der „sofortige und bedingungslose Ausstieg aus der Atomtechnik“, sprich Ergreifung aller nur denkbaren politischen, juristischen und administrativen Maßnahmen gegen den Betrieb der vier Atommeiler, die Hamburg regelrecht einkreisen. Die SPD führt den Ausstieg zwar ebenfalls im Munde, aber auch nur dort. Deswegen erscheint selbst in diesem Punkt eine Einigung mit der CDU nicht unmöglich: der Senat müßte es nur wie bisher unterlassen, die vorhandenen konventionellen Kraftwerkskapazitäten zu erhalten und mit Kraft–Wärme–Kopplung auszubauen. Des weiteren verlangt die GAL, wenn sie denn den Senat tolerieren soll, unter anderem die Sanierung der Elbe, die Auflösung von Sammellagern für Flüchtlinge, die Anhebung der Sozialhilfe um 30 Prozent, eine Quotierung für Frauen im öffentlichen Dienst, 100 Millionen Mark Staatsknete für selbstverwaltete Projekte und weitere 20 für Frauenkultur, sowie die Anerkennung und Entschädigung aller NS–Verfolgten. Außerdem dürfen die Hafenstraßenhäuser weder geräumt noch abgerissen werden. Kritiker wie Kurt Edler sehen in diesem Katalog einen „Gemischtwarenladen“, der niemanden mehr interessiere. Andere GALier aber scheinen sich insgeheim zu freuen: „Die Meßlatte liegt so hoch, daß die SPD nie drüber– jumpt“. Ute Scheub

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