: G A S T K O M M E N T A R Perversion der Rechtskultur
■ Hafenstraße: Gewalt zur Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche?
Den freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat in politischen und gesellschaftlichen Schönwetterzeiten durchzuhalten ist nur selten schwierig. Ihn in Schlechtwetterperioden konsequent zu verwirklichen, mag kompliziert und anstrengend sein, ändert aber nichts daran, daß gerade dies die Situation ist, in der dem Rechtsstaat die entscheidende Bedeutung zukommt. Seine Bewährung setzt explosive Konflikte, so könnte man sagen, geradezu voraus. Das entspricht seinem Wesen als Befriedungswer Um ein solches Versagen zu verhindern, darf jetzt nicht auf der Basis schneller Schuldzuweisungen als erstes gefragt werden: Was dürfen der Staat und seine Organe tun, und welche Gegenrechte haben die Hausbewohner? Denn, wenn der Rechtsstaat an der Elbe eine Chance behalten soll, dann kommt es zu allererst vordringlich darauf an, sich nachdrücklich klar zu machen, was in der entstandenen Lage auf gar keinen Fall geschehen darf. Dabei steht an jedem Anfang neuer Aktivitäten das absolute Verbot, irgendwelche Lebensgefährdungen sowohl auf seiten der Hausbewohner wie auf seiten der Polizei zu riskieren. Der Tod ist kein Instrument zur Wahrung von Vertrags–, Kündigungs– und ähnlichen Rechten im Bereich von Vermögensgütern. Dies zu betonen wird nicht dadurch gehindert, daß einer solchen Forderung gewiß von keiner Seite widersprochen wird. Wer so antwortet, vergißt, daß diese Einigkeit akute Gefahren verdrängt. Man übersieht dabei fahrlässig oder überspielt vorsätzlich, daß hier jeder Einsatz von Gewalt - und nach ihm wird ja offen oder verschleiert von nicht wenigen Seiten gerufen - in dieser zugespitzten Konfliktlage zwangsläufig zu Lebensgefährdungen führen kann und das Risiko von Körperverletzungen nahezu unausweichlich macht. Und das muß auf jeden Fall ausgeschlossen werden, zumal unter dem Aspekt des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes. Was wäre das für eine Perversion der Rechtskultur, wollte man Tötungen und Körperverletzungen zur Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche in Kauf nehmen! Dies sei beiden Seiten gesagt. Aber es gilt auch ein weiteres: Ein freiheitlicher Rechtsstaat muß und kann, ohne sein Gesicht zu verlieren, entgegenkommen, auch und gerade dort, wo es schwerfällt. Nur so verhindert er, zum Obrigkeitsstaat zu verkommen. Er hat die Mittel in der Hand, Partner auch denjenigen gegenüber zu bleiben, die als Partner erst gewonnen werden müssen. Der Einsatz aber von Gewalt in der heutigen Situation würde das hohe rechtsstaatliche Ansehen Hamburgs im wörtlichen Sinne zerschlagen. Rational und human kann nur die Fortsetzung der Verhandlungen sein. Ist die Einsetzung einer von beiden Seiten einverständlich besetzten neutralen Schiedskommission schon diskutiert worden? Ulrich Klug, ehemaliger Hamburger Justizsenator
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