Fußballspielerinnen mit Sporthidschab: Umkämpftes Textil
Der Hidschab der Marokkanerin Nouhaïla Benzina wird zum Hingucker der WM. Dabei gehört er längst zum Sport – außer in Frankreich.
Sie wurde bestaunt, als sei sie eine Außerirdische, als sie sich vor dem Spiel Marokkos gegen Südkorea neben ihren Kolleginnen zur Nationalhymne aufgestellt hat. Denn die marokkanische Auswahlspielerin Nouhaïla Benzina trug einen Hidschab. Dass eine muslimische Frau mit verschleiertem Haupt den Platz betritt, hatte es auf der großen Bühne des Weltfußballs noch nicht gegeben. Der Auftritt Benzinas markiert den Höhepunkt einer Kampagne zur Teilhabe muslimischer Frauen im Sport.
Dem Auftritt der Verteidigerin, die am Donnerstag beim Spiel gegen Kolumbien zu einem weiteren WM-Einsatz kommen könnte, gehörten die Schlagzeilen an diesem Turniertag. Im internationalen Spitzensport ist eben immer noch nicht normal, was im Alltag vieler sporttreibender Musliminnen längst eine Selbstverständlichkeit ist.
Um die 40 Euro muss bezahlen, wer einen Sporthidschab bei einem der großen Sportartikelhersteller kaufen möchte. US-Weltmarktführer Nike startete 2017 mit einer größeren Kampagne den Verkauf von Sporthidschabs. Der sportive Schleier wurde zum Massenprodukt, da waren die ersten Bilder von verschleierten Frauen bei Sportgroßereignissen schon um die Welt gegangen.
Auch wenn sich kaum jemand mehr an den Namen der ägyptischen Beachvolleyballerin Doaa Elghobashy erinnern dürfte, so sind die Bilder, für die sie bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro gesorgt hat, unvergessen geblieben. Nie zuvor hatte eine Frau mit bedeckten Armen und Beinen und einem verschleierten Kopf bei Olympia im Sand geschmettert.
Am Rande vor Großereignissen hat der Hidschab schon früher zumindest für ein wenig Aufmerksamkeit gesorgt. Ein Auftritt mit Schleier im Vorlauf über 100 Meter bei den Spielen 2004 in Athen brachte Ruqaya al-Ghasra aus Bahrain sogar einen Werbedeal mit Nike ein – lang bevor der Hidschab vom Sportartikelhersteller für massentauglich erklärt worden ist.
Im Fußball lange verboten
Zu jener Zeit war das Textil im Fußball bei internationalen Turnieren noch verboten. Kritik daran gab es schon damals, aber so richtig laut wurde die erst 2011. Im Jahr zuvor war einer iranischen Auswahl die Teilnahme an den Olympischen Jugendspielen in Singapur verboten worden, weil die Spielerinnen auf das Tragen des Hidschabs bestanden und nicht mit den von der Fifa zugelassenen badekappenähnlichen Hauben, die den Hals freilassen, aufs Feld laufen wollten. Aus demselben Grund wurde 2011 das Team des Iran nicht zu den Spielen um die Olympia-Qualifikation zugelassen.
Doch die Frauen hatten mittlerweile einen mächtigen Fürsprecher an der Spitze des Internationalen Fußballverbands. Der jordanische Prinz Ali bin al-Hussein, der sich später vergeblich um das Amt als Fifa-Präsident bewarb, saß als Vertreter Asiens im Präsidium des Weltverbands und machte den Hidschab zu seinem persönlichen Anliegen.
Als sich schon abzeichnete, dass das Verbot fallen würde, präsentierte die medizinische Kommission des Weltverbands dann plötzlich ein Gutachten, aus dem hervorging, dass das Spielen mit Hidschab zu Verletzungen führen kann. Doch die Tests wurden nicht mit den gerade entwickelten Sporthidschabs durchgeführt und so rangen sich die Fußball-Regelhüter 2014 dazu durch, die Kopfbedeckung zuzulassen.
In den meisten Ländern, in denen Frauen Fußball spielen dürfen, ist es nun kein Problem mehr für diese, den religiösen Pflichten, denen sie sich unterworfen haben, auf dem Feld Genüge zu tun. Im laizistischen Frankreich bleibt die Verschleierung indes verboten. Der jahrelange Kampf von Aktivistinnen, die sich „Les Hijabeuses“ nennen, war bislang vergeblich.
Ende Juni hat das höchste Verwaltungsgericht Frankreichs entschieden, dass das Verbot der Kopfbedeckungen für Spiele im Bereich des französischen Fußballverbands rechtens ist. Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin hatte vor der Urteilsverkündung gesagt: „Man trägt keine religiöse Kleidung, wenn man Sport treibt. Wenn man Fußball spielt, muss man nicht wissen, welche Religion die Person vor einem hat.“ Die Hijabeuses halten dagegen, dass mit dem Verbot vielen Mädchen der Zugang zum Fußball verschlossen bleibe. „Der 29. Juni wird für immer der Tag sein, an dem die französische Justiz in ihrer Pflicht versagt hat, die Rechte französischer Frauen zu schützen und zu bewahren“, heißt es auf dem Instagram-Profil der Aktivistinnen. Und: „Der Hidschab-Kampf geht weiter.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste