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Fußballfans

■ betr.: "Harte Strafen für deutsche Hooligans", taz vom 14.6.90, Leserbrief: "Stumpfes Hobby", taz vom 14.6.90, "Fans und Bullen prügeln - programmgemäß", taz vom 12.6.90, Leserbriefe dazu, taz vom 15./18./20.6.90

betr.: „Harte Strafen für deutsche Hooligans“, taz vom 14.6.90, Leserbrief: „Stumpfes Hobby“, taz vom 14.6.90, „Fans und Bullen prügeln - programmgemäß“, taz vom 12.6.90, Leserbriefe dazu, taz vom 15./18./20.6.

Wer in allen Fußballfans ausschließlich „Arschlöcher“, „Prügel-Faschisten“, „Brutalo-Horden“ oder primitive Haufen mit weggesoffenem Hirn sieht, macht es sich zu einfach. Auch geht es nicht darum, es zu rechtfertigen, daß ein paar hundert Hooligans die Mailänder Innenstadt plattgemacht haben.

Natürlich gibt es innerhalb der Fan-Szene, von der die Hooligans einen kleinen, aber schlagzeilenträchtigen Teil darstellen, eine Gewaltproblematik; ebenso ist mir klar, daß regelmäßig Betroffenen (wie zum Beispiel der Hafenstraße) irgendwelche Erklärungsansätze wie „Erlebnisarmut“, „Grenzwerterfahrung“ und ähnliches am Arsch vorbei gehen (müssen). Aber neben den Hooligans gibt es Zehntausende jugendlicher Fans, die sich zur WM des Kaisers Gurkentruppe live reinziehen wollen.

Die Hauptkritik einiger Beobachter mit Durchblick (Fan -Projektler, die Toten Hosen, taz-Reporter) richtet sich gegen die Ignoranz der Verantwortlichen in Mailand, des DFB und der FIFA gegenüber Bedürfnissen jugendlicher Fußballfans. Den Vips, dem Kuchenblock wird vorn und hinten der Hof gemacht; Geld spielt in dem Fall keine Rolle.

Die Fans, die für Stimmung sorgen, die ihre letzte Knete opfern, um nach Mailand zu kommen, gehen leer aus. Das einzige, was den Funktionärsmasken für beziehungsweise gegen Fans einfällt, sind Sitzplätze und ein Alkoholverbot. Betreuungsprogramme, jugendspezifische Spiel-, Sport- und Musikangebote, Zeltlager..., für den DFB und Konsorten scheinbar Schwachsinn; sind eh‘ alles Bekloppte.

Indessen ist man voll des Lobes für jedwede repressive Maßnahme. So dankte FIFA-General-Sekretär Blatter den italienischen Bullen, die durch „notwendige Sicherheitsmaßnahmen sensationelle Arbeit“ geleistet hätten.

Das Ergebnis: Fans sind gezwungen in Pkws oder am Straßenrand zu campieren; lungern gelangweilt in irgendwelchen Anlagen rum, bis sie auch dort von den Bullen vertrieben werden; ziehen ziellos durch die Stadt, argwöhnisch von Carabinieri „begleitet“. Das dies nicht gerade für eine gute Stimmung sorgt, ist eigentlich logisch. Zumindest wird durch eine solche Atmosphäre derartigen Vorfällen wie nach dem Spiel gegen Jugoslawien Vorschub geleistet; wobei auch die sensationsgeile Presse (die taz ausgenommen) ihren Teil dazu beiträgt, indem sie schon seit Wochen einen „Fan-Krieg“ und Hooligan-Gemetzel am laufenden Meter förmlich herbeizuschreiben versucht.

Christian Berg, Hannover

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