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■ Press-SchlagFußball im Gaza-Streifen

Der Fußballplatz auf dem Campus der Islamischen Universität in Gaza entspricht nicht ganz dem internationalen Fifa- Standard. Ein Hauch von Gras läßt sich auf dem Sandboden nur noch erahnen. Es ist die Auswahl der „Islamischen Gesellschaft“, die heute gegen einen anderen islamischen Wohlfahrtsverein, ganz in Grün, der Farbe des Propheten, antritt. Hier zeigen sich die Sympathisanten der islamistischen Hamas-Organisation von ihrer anderen Seite. Was man nicht unbedingt von den israelischen Besatzungstruppen behaupten kann. Auf der einen Seite überblickt, hinter Stacheldraht verbarrikadiert, ein riesiges Militärlager die Universität. Die Soldaten kontrollieren von ihrem Wachturm aus den Spielverlauf. Unten am Hügel, wenige Meter entfernt in Richtung Meer, liegt Ansar II, das größte israelische Gefängnis für palästinensische Aufständische im Gaza-Streifen. Außen vor den Mauern ziehen die israelischen Militärjeeps ihre Kreise.

Nach einer Viertelstunde steht es 1:0 für die Islamische Gesellschaft. Ein grober Abwehrfehler machte es der Nummer 9 leicht, den Torwart auf dem falschen Bein zu erwischen. Ismail Nasab, Trainer des in Rückstand geratenen Teams, tobt an der Seitenlinie. „Seit zwei Monaten“, erzählt der Fußball-Verantwortliche der Islamischen Gesellschaft, der seinen Namen nicht nennen möchte, „versuchen wir, regelmäßig Fußballspiele aufzuziehen.“ Am Anfang der Intifada, des palästinensischen Aufstands gegen die Besatzung vor fünf Jahren, habe man damit aufgehört. Niemandem war mehr nach Fußball zu Mute gewesen.

Doch auch heute ist es noch schwierig, ein normales Leben unter den anormalen Umständen der Besatzung zu führen. Versucht wird es trotzdem. Ein kontinuierlicher Spielbetrieb erweist sich schier als unmöglich. Allein seit dem Handschlag zwischen PLO-Chef Arafat und dem israelischen Ministerpräsidenten Rabin vor drei Monaten wurden 24 Palästinenser von israelischen Militärs oder Siedlern im Gaza-Streifen erschossen. Oft waren Streiks die Folge, die Spiele mußten ausfallen. Einmal, so der islamistische Fußball-Funktionär, mußten sie ein Spiel abbrechen, weil jemand ganz in der Nähe erschossen worden war.

Fast wäre mit einem satten Schuß aus der zweiten Reihe der Ausgleich erzielt worden. Der Schwarm Krähen, der über dem Campus kreist, zeigt sich unbeeindruckt, sorgt aber mit seinem Gekreische für die richtige Nachmittagsstimmung. „Gebt endlich ab“, schreit einer der beiden Jungs, die ihren Wagen unweit der Auslinie geparkt haben und das Spiel à la Autokino konsumieren. Die rund 30 anderen Zuschauer haben es sich auf Stühlen bequem gemacht, die eiligst aus den Klassenräumen geschafft wurden.

Erst vor einem Monat hatte man mit 40 Teams den ersten großen Wettbewerb im Gaza- Streifen auf die Beine gestellt – vor 5.000 Zuschauern. Die ersten drei Plätze wurden von den Mannschaften belegt, die Hamas nahestehen. Zur Zeit läuft eine Art Gaza-Pokal: Moschee spielt gegen Moschee. Teams, die der PLO und Arafats Fatah- Organisationen zugerechnet werden, messen sich mit den Hamas-Fußballern. Lager tritt gegen Lager an. Besonders stark sind die Teams aus dem Beach-Camp und dem Flüchtlingslager in Rafah.

Heute tragen die Spieler der Islamischen Gesellschaft den Sieg nach Hause. Diejenigen, die nicht in Gaza City, sondern in einem der Camps außerhalb wohnen, müssen sich beeilen. Ab acht Uhr herrscht Ausgangssperre. Dann wird nur noch im Fernsehen Fußball gespielt. Karim El-Gawhary

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